Foto: Tatjana Montik

Die kleine georgische Stadt Gori im Osten des Landes hat eine lange Geschichte. Laut einigen Quellen existierte die Siedlung Gori schon im dritten Jahrhundert vor Christus. Aber weltbekannt wurde die Stadt durch einen Mann, der hier 1879 geboren wurde - Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili, besser bekannt als Stalin. Seit 1937 gibt es für ihn ein Museum in Gori.

Das pompöse Museumsgebäude an der Stalin-Allee von Gori entstand gleich neben der Stelle, wo sich Stalins Geburtshaus befindet. Dieses kleine ärmliche Häuschen, wo Stalins Eltern nur ein Zimmer und den Keller mieteten, wurde 1939 mit einem Pavillon überdacht. Das Museumsgebäude selbst wurde 1957, vier Jahre nach dem Tod des Diktators, neu errichtet und erinnert eher an einen italienischen Renaissance-Palazzo.

Larisa Kazaschwili ist eine der ältesten Museumsmitarbeiterinnen und Direktorin des museumseigenen Verlags. Täglich führt sie Touristen durch das Museum. Die Führungsinhalte hätten sich im Laufe der Jahre je nach politischer Konjunktur verändert, berichtet sie, denn das Stalin-Museum sei schon immer ein Spielball politischer Interessen gewesen. Die Ausstellung stamme aus Geldmangel noch aus der Sowjetzeit, was für ausländische Touristen jedoch eher von Vorteil sei.

Einige wenige Dokumente sind in letzter Zeit neu hinzugekommen. Zum Beispiel das Geheimprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt, in dem über Europas Aufteilung zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich entschieden wurde. Und wie sehr dies auch verurteilt werden möge, Stalin habe dank dieses Pakts immerhin Zeit und dadurch auch den Krieg gewonnen, sagt die Museumsführerin, "denn damit brachte er Hitlers Pläne für einen Blitzkrieg zum Scheitern".

Nur ein kleiner Saal am Ende der Exposition behandelt die Repressionen gegen die so genannten Volksfeinde, denen unter dem Stalin-Regime Millionen von Sowjetmenschen zum Opfer fielen. In dieser kleinen Ausstellung wird über die Repressionsopfer aus der Gori-Region berichtet.

Bei den jungen Menschen von Gori ist das Stalin-Museum ein beliebter Treffpunkt. In einer Gruppe von acht jungen Leuten spricht der 16-jährige Georgi Geliaschwili als einziger Russisch. Auf Stalin hält er große Stücke. Sein Landsmann sei in erster Linie ein Sowjetmensch und erst dann ein Georgier gewesen. Und ein ganz großer Führer sei er gewesen, auf den die Georgier stolz sein könnten, denn Stalin habe das ganze Land, ja die ganze Welt fest in seiner Faust gehalten.

Von den furchtbaren Repressionen der Stalin-Zeit haben weder Georgi noch seine Freunde eine Ahnung. Auch für den 29-jährigen Bankangestellten Gia Kabulaschwili (29) ist der Name Stalin positiv besetzt. Die Repressionen seien von seinem Geheimdienst NKWD durchgeführt worden, Stalin habe davon nichts gewusst. Und Stalin sei ja selber ermordet worden. Gia ist sicher: Die Geschichtswissenschaft sei Stalin noch ein richtiges, ein positives Urteil schuldig. (Tatjana Montik aus Gori/DER STANDARD, Printausgabe, 7./8. 12. 2010)