Arnulf Rainer verbringt seinen 81. Geburtstag am 8. Dezember im Arnulf-Rainer-Museum: Ab 16 Uhr hält er beim Tag der offenen Tür im Rahmen seiner Ausstellung "Visages" eine Signierstunde.

Foto: APN/Uwe Lein

"Visages" heißt die aktuelle Ausstellung im Arnulf-Rainer-Museum in Baden. Sie zeigt die verschiedenen Werkgruppen, in denen sich Arnulf Rainer im Laufe seines künstlerischen Schaffens mit dem Gesicht auseinandergesetzt hat.

"Totenmaske Beethoven", 1983/84; Ölkreide, Öl/Foto/Holz, ca. 121 x 80 cm; Fotocredit © Arnulf Rainer / Foto: Robert Zahornicky

Foto: Robert Zahornicky

STANDARD: Ein Jahr Rainer-Museum: Wie lautet Ihre Bilanz?

Rainer: Ich bin ja nicht Direktor oder Geschäftsführer, das heißt: Ich erlebe das Museum aus einer gewissen Distanz. Wie es dem Museum geht, hängt von der Direktion ab. Wir werden natürlich immer mit dem Nitsch-Museum verglichen: Wer hat mehr Besucher.

STANDARD: Und: Wer hat mehr?

Rainer: Das weiß ich nicht. Mir wird immer gesagt, wir hätten sehr gute Besucherzahlen: vielleicht, um mich zu beruhigen.

STANDARD: Bestimmen Sie die Themen der Ausstellungen?

Rainer: Nein. Der Kurator sucht aus, welchen Schwerpunkt er setzen will. Ihm wird gezeigt, was vorhanden ist, dann sucht er sich aus. Rein ökonomisch ist es so, dass wir mit einem Transport auskommen müssen; wir können aus finanziellen Gründen nicht mit Leihgaben arbeiten. Künstler, die nicht fleißig waren und kaum etwas im Atelier haben, könnten gar kein Museum machen.

STANDARD: Haben Sie Atelierbesuche immer noch ungern?

Rainer: Ich bin nie dabei, meine Frau Hannelore bereitet alles vor. (Lacht) Ich bin schon froh, wenn ich vorher den Schwerpunkt weiß. Aber die Sicht eines anderen auf mein Werk ist interessant.

STANDARD: Erkennen Sie sich in der Ausstellung wieder?

Rainer: Ich finde einen Teil von mir, nie mein Ganzes. Ich war ja immer bestrebt, nicht kontinuierlich ein Werk aufzubauen. Ich wollte immer Sprünge machen. Und dann gibt es in meinem Alter die Bilanzierung: Was ist das Gemeinsame? Ich war vor vierzig Jahren sicher anders als heute.

STANDARD: Haben Sie vor vierzig Jahren von einem eigenen Museum geträumt?

Rainer: Nein. Die Adelung durch ein Museum war damals überhaupt keine Perspektive. Das erste Künstlermuseum war jenes von Picasso - und der war da auch schon tot. Natürlich hoffte man, eines Tages anerkannt zu sein. Die Frage war ja nur: Werde ich dann noch leben? Es gab in der Geschichte viele Künstler, die erst nach dem Tod entdeckt wurden. Ich habe die Theorie, dass ein lebender Künstler durch sein soziales Verhalten, seinen Ruf, die Sicht auf sein Werk behindert. Das war vielleicht auch bei mir eine Zeitlang der Fall. Ich wurde lange als verrückt angesehen.

STANDARD: Hat Sie das gekränkt?

Rainer: Bei manchen schon. Der Artclub war nach dem Krieg die einzige Nazi-freie Künstlervereinigung; er hat zweimal im Jahr Ausstellungen gemacht, aber mich nie eingeladen, weil man mich für verrückt hielt. Heute werde ich als Mitglied geführt, aber in Wahrheit wurde ich nie aufgenommen. Mich hat damals sehr gekränkt, dass meine Arbeit von Künstlerkollegen nicht akzeptiert wurde.

STANDARD: Sie gelten als ungeheuer fleißig. Wie kann man sich Ihren Arbeitstag vorstellen?

Rainer: Es gibt Tage, wo ich nur vor- oder nachbereite. Meine eigenen Bilder zu qualifizieren ist für mich das Schwierigste. Eigentlich könnte ich das erst nach zehn, 20, 30 Jahren. Aber ich muss entscheiden, bei welchem Bild ich aufhöre, welches im Atelier bleibt. Es steht ja immer eine ganze Reihe von Bildern im Atelier. Ich gehe herum und schaue, welches Bild mich ruft, einen Strich will, einen Fleck, eine bestimmte Farbe. Das Schwierigste ist, in eine Situation zu kommen, dass man so offen ist, um zu hören und sehen, was die Bilder einem mitteilen wollen.

STANDARD: Kann es passieren, dass ältere Bilder noch einmal rufen?

Rainer: Ja sicher. Deshalb traue ich mich ja kaum in meine Ausstellungen. Ich sehe sofort: Das Bild will dies und das von mir. Aber ich kann die Bilder ja nicht abhängen! Jetzt zum Beispiel kommt aus einer Ausstellung - ich sage nicht, aus welcher - eine ganze Reihe von Bildern nicht mehr ins Lager, sondern ins Atelier. An denen muss ich weiterarbeiten.

STANDARD: Sie arbeiten in Serien. Welches ist Ihr nächstes Thema?

Rainer: Das sind Schleiertänzerinnen. Ich gehe ja immer von Fotos aus, in diesem Falle zeigen sie Tänzerinnen, die einen Schleier am Körper tragen, in gewissen Bewegungs- oder Ruheposen. Ich mache selbst die Bildregie.

STANDARD: In der aktuellen Ausstellung in Baden sind Ihre Jahrzehnte überspannenden Zyklen zum Thema Gesicht ausgestellt. Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Rainer: Das Gesicht hat mich immer interessiert. Es hat in mir gearbeitet. Ich bin davon nicht losgekommen. Ob es die Grimassen sind; das Fantasiegesicht; historische Gesichter; Gesichter alter Meister der Kunstgeschichte, Masken. Es bewegt mich immer noch. Immer wieder.

STANDARD: Üblicherweise sind Sie zu dieser Zeit längst schon in Teneriffa. Heuer begehen Sie Ihren Geburtstag am 8. Dezember mit einem Tag der offenen Tür im Museum.

Rainer: Ich signiere um 15 Uhr. Erst dann kriege ich mein Teneriffa-Ticket. Ich fühle mich unter Kuratell gesetzt (lacht).

STANDARD: Dafür wirken Sie aber ausgesprochen vergnügt.

Rainer: Das Alter verdirbt einem ja nicht die Laune! Ich leide nur unter der furchtbaren österreichischen Winterfinsternis. Im Alter spürt man alles intensiver.

STANDARD: Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Rainer: (lachend) Als grämlicher Alter. (Andrea Schurian, DER STANDARD - Printausgabe, 7./8. Dezember 2010)