Carne  Cruda im Santisé - yeah!

Santisé
www.santise.it

Mittag für drei mit Wein, Wasser und Kaffee: 130 Euro

Foto: Bernhard Peball

Pasta, auch eine Freude

Foto: Bernhard Peball

Die Backe, die ich nicht hatte: Esel in seiner schmackhaftesten Form

Foto: Bernhard Peball

Carne Cruda, hier mit Wurst

Battaglino
Piazza Roma 18
Bra
00390172412509
Dinner für drei mit Wein, Wasser und Kaffee: 135 Euro

Foto: Bernhard Peball

Tajarin, hier selten ein Fehler

Foto: Bernhard Peball

Brasato, nicht so schlimm wie angekündigt

Foto: Bernhard Peball

Der Hahnenkamm, leider zu breiig und zuviel Essig

Foto: Bernhard Peball

So leicht ist die Schmeck's-Posse nicht abzuschrecken: Nur weil im Santisé keiner abhebt, lassen wir San Desiderio di Calliano noch lange nicht ungeschoren. Um 11.30 läuten wir den Wirten heraus, für 12.30 verspricht er gedeckte Tische in dem wuchtigen alten Kasten, der von außen kaum als Restaurant zu erkennen ist. Umso überraschender das durchaus gediegene Innenleben mit Blick auf den sonnigen Innenhof. Das wär doch was für nächsten Sommer.

Peball hält mir die Wange hin

Für ein Wiedersehen spricht mindestens so die Küche: prototypische Carne Cruda. Sehr schöne Angnolotti mit Bratensaft oder Butter und Salbei. Und vor allem: eine hinreißend zarte, kunstvoll geschmorte, intensive Eselsbacke. Sagt Herr Peball, der mir mehrfach die Wange hinhielt zum Kosten. Ich Esel verweigerte.

Nicht etwa aus moralischen Gründen, vielmehr aus medizinischen: Herr Peball brachte aus Wien ins Piemont drei Blasen an seinen Lippen mit, die ich eigentlich nicht erben wollte. Und: Herr Hilberg hatte ja auch eine Eselsbacke bestellt. Dachten wir, während wir unseren Pastagang verarbeiteten, unser Mitesser aber schon die Backen voll mit Backe hatte.

Au Backe

Weit gefehlt: Anche per me bezog die Frau Wirtin offenbar nicht auf Esel, sondern auf Hahn. Sie brachte also Hilberg und mir je eine Portion Finanziera, Hahn vom Kamm bis zur Kralle, quasi. Unsere Trauer über den Esel, der nun mit einer Backe einseitig durchs Leben geht, hielt sich nur bis zum ersten Bissen. Finanziera auf das Wesentliche reduziert, ohne dicke Sauce und sonstigen Firlefanz, und noch angenehm bissfest. Sehr, sehr, sehr gut, über Schönheit kann man streiten.

Wo wir schon beim Abfahren auf Hahnenkämme sind: Große Erwartungen setzten wir da ins Battaglino, im 60 Kilometer entfernten Bra. Ein großer Esser, der in der Slow-Food-Geburtsstadt wohnt, hatte uns den etwas kauzigen Wirten empfohlen, eines der wenigen Lokale mit laufend Finanziera, meinte er. Der Wirt behaupte zudem, Carne Cruda gehöre mit ordentlich Knoblauch, nur die Leute wollen das nicht mehr so. Nur: Vom Brasato müsse man hier abraten.

Schöne Schnecken

Dass ich also das rohe Fleisch mit Knoblauch bestelle, sorgt dann freilich für ein bisschen Verwunderung, wird aber umgehend erledigt. Interessante Erfahrung, auch die kleine Mettwurst zur Cruda, aber ich tendiere nun doch wieder eher zur gewohnten, knoblauchfreien Form. Tajarin mit Fleischsauce und Agnolotti mit Butter und Salbei schwer in Ordnung. Herr Peball nimmt natürlich trotz Warnung das Brasato und ist, nun ja, gar nicht völlig unzufrieden.

Herr Hilberg machte das Rennen um den Hahnenkamm, also wählte ich zur Abwechslung die Schnecken. Schön knackig, finde ich, der Herr Peball indes sagt: "Gibts woanders auch, heißt dann Flachsen." Ignorant! Die dicke Paradeiserknoblauchkräutersauce passte den Kriechtieren gut. Ich würde sagen: Secondotechnisch geht der Haupttreffer dieses Abends eindeutig an mich.

Brei in Bra

Denn: Hilbergs Hahnenkämme kamen ausgesprochen zerkocht und breiig daher, die Kostprobe ergab eher Belanglosigkeit als Freude. Das essigsaure Drumherum erinnerte den erfahrenen Mitesser an Wirtshaus-Beuschl, "und zwar von der schlechteren Sorte".

Wir raten: Wenn Sie die Lust auf Hahnenkämme und andere Heiterkeiten aus dem Federvieh packt: Il Centro in Priocca. Oder, fast noch besser: Ein Stück weiter nordwestlich liegt San Desiderio di Calliano. Der Standort des Santisé hat das Verlangen ja schon im Namen, vermute ich Sprachdilettant. Wir sehen uns dort. Ich nehme dann endlich den Esel. Damit wieder ein bisschen Symmetrie in das arme Tier kommt.