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Ein Clown braucht länger, bis er arbeitsbereit ist.

Foto: Reuters/Romero

Erika L. muss in ihrem Betrieb eine Dienstkleidung tragen: "Gehört das Anziehen der Dienstkleidung schon zur Arbeitszeit?", fragt uns die Userin via Mail. Auch wenn es sich hier um einen Vorgang handelt, der nur wenig Zeit in Anspruch nimmt, sind nicht wenige ArbeiterInnen mit dieser Frage konfrontiert - und im Laufe eines Berufslebens summieren sich diese Sekunden zu vielen Stunden und die Pflicht, sein Unternehmen im Sinne der Corporate Identity repräsentieren zu müssen, wird zur Prinzipienfrage.

Eine grundsätzliche Regelung gibt es in dieser Causa nicht, sagt Ernst Stummer von der Arbeiterkammer Oberösterreich, nur: "Der Grundsatz in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist, dass die Arbeitszeit beginnt, wenn man arbeitsbereit am Arbeitsplatz ist." Das heißt, man muss sich bereits in der entsprechenden Arbeitskleidung befinden. Das Adjustieren ist also unfreiwillige Freizeitbeschäftigung.

"Wo sind die Stechuhren aufgestellt"?

Johannes Winkler, Anwalt für Arbeitsrecht mit Kanzlei in Linz, gibt zu bedenken, dass hier verschiedene Faktoren ausschlaggebend sind, von Generalisierungen solle man Abstand nehmen. Relevant sei zum Beispiel die Frage: "Wo sind die Stechuhren aufgestellt"? Es macht einen großen Unterschied, ob die bereits beim Eingang, in der Garderobe oder erst in der Fabrikshalle stehen: "Wenn Stechuhren bei den Eingängen aufgestellt sind, dann ist das Ankleiden als Teil der Arbeitszeit zu sehen." Stehen diese zum Beispiel bei den Maschinen, dann trete der umgekehrte Fall ein, so Winkler, der in dieser Frage von einem Interessensgegensatz zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat spricht: "Der Betriebsrat will die Stechuhr natürlich am liebsten schon beim Firmentor haben."

Prinzipiell, betont Winkler, sollten solche "Feinheiten", die allerdings in einem veritablen Rechtsstreit münden können, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. In der Industrie sei dies ohnehin meist der Fall: "Wo es einen Betriebsrat gibt, gibt es meistens Betriebsvereinbarungen zu diesen Themen." Im Streitfall ist folgendes Prozedere vorgesehen: "Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf diesbezügliche Regelungen einigen können, kann einer der beiden solche bei der Schlichtungsstelle erzwingen, welche dann für die gesamte Belegschaft gelten würden", erläutert er.

Umkleidemöglichkeiten

Ein weiteres Kriterium, ob denn Anziehen der Dienstkleidung Teil der Arbeitszeit ist, sei die Frage, ob eine Verfügbarkeit von Spinden und Umkleidekabinen gegeben ist, erklärt Winkler: "Umziehen ist dann Privatsache, wenn Kleidung mit nach Hause genommen wird." Und das sei oft unumgänglich, da vor allem kleinere Betriebe selten über adäquate Umkleidemöglichkeiten verfügen. Diese müssen etwa versperrbare Kästen oder eine räumliche Trennung nach Geschlechtern beinhalten. "Wenn keine solche Möglichkeit besteht, bleibt keine Wahl, als die Kleidung schon zu Hause anzuziehen", so der Rechtsanwalt, der aber andererseits darauf aufmerksam macht, dass dies nicht immer "zumutbar" ist. Bei einer sehr auffälligen Dienstkleidung werde man nicht bereit sein, diese schon während der Anfahrt zum Arbeitsplatz zu tragen. Clowns oder Rauchfangkehrern begegnet man nicht täglich in der Straßenbahn.

Frage der Gewohnheit

"Wir sind schon manchmal mit diesem Streitthema konfrontiert", sagt Ernst Stummer von der AK Oberösterreich: "Es gibt schließlich kaum eine Branche, wo das ausdrücklich geregelt ist." Nur selten werde dies im Kollektivvertrag verankert: "Zum Beispiel, dass man während der Arbeitszeit für das An- und Auskleiden Zeit zur Verfügung gestellt bekommt, etwa in Form von sogenannten Waschzeiten." Die häufigsten Anfragen, erzählt Stummer im Gespräch mit derStandard.at, drehten sich um die Frage, ob aufgrund der Anziehgewohnheiten eine "betriebliche Übung" entstanden ist. Darunter versteht man eine über einen längeren Zeitraum hin von Mitarbeitern praktizierte und vom Arbeitgeber tolerierte Handlung, die damit quasi den Status eines "Gesetzes" erlangt. Wenn der Chef monatelang das Anlegen der Dienstkleidung als Teil der Arbeitszeit duldete, kann er dies also nicht mehr auf die Schnelle rückgängig machen. Aus der Duldung entsteht ein Anspruch, der von Fall zu Fall zu betrachten sei, warnt Stummer vor Verallgemeinerungen. Oft reichen einige Wochen, manchmal müssen es Jahre sein.

Schutzkleidung

Ein wenig einfacher ist die Rechtslage in puncto Schutzkleidung, die in einigen Berufssparten Pflicht ist. "Wir vertreten ganz klar den Ansatz, dass das Teil der Arbeitszeit ist", sagt Stummer und ergänzt: "Von einem Kläranlagentaucher mit voller Ausrüstung kann man nicht verlangen, dass sich dieser während der Freizeit ankleiden muss." Eine Meinung, die auch Rechtsanwalt Winkler vertritt: "Es wird kaum jemand einen Asbestanzug in der Freizeit anziehen wollen." In Metiers wie Metallbetrieben oder Berufsfeuerwehren stehe dies ohnehin außer Streit. (om, derStandard.at, 7.12.2010)