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Versuch Enthüllungsaktivisten aus dem Internet zu verbannen ist zum Scheitern verurteilt

Foto: Reuters

Der Druck auf Wikileaks-Gründer Julian Assange und seine Mitstreiter wächst. US-Senator Mitch McConnell aus Kentucky, Fraktionschef der Republikaner im US-Senat, nannte den Wikileaks-Sprecher am Wochenende im US-Fernsehen einen "High-Tech- Terroristen", der möglichst schnell hinter Schloss und Riegel gebracht werden müsse.

Nicht mehr erreichbar

Zuvor hatten die US-Internetunternehmen Amazon, PayPal und EveryDNS mit einem Hinweis auf ihre Geschäftsbedingungen der Enthüllungsplattform die Zusammenarbeit aufgekündigt und dafür gesorgt, dass die Website von Wikileaks zeitweise nicht mehr erreichbar war.

Nach einer verbalen Attacke von US-Senator Joe Lieberman, Vorsitzender des Senatsausschusses für Heimatschutz, hatte Amazon das Hosting der Dokumente eingestellt. Einen Tag später schaltete der Internet-Dienstleister EveryDNS.net auch die Domain wikileaks.org ab - mit der Begründung, wiederholte Hacker-Attacken hätten andere Kunden gefährdet. Kurz darauf sperrte PayPal das Spendenkonto von Wikileaks.

http://213.251.145.96/

Doch der Versuch, die Enthüllungsaktivisten und die geheimen Dokumente aus dem Internet zu verbannen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nachdem EveryDNS die Weiterleitung der Adresse wikileaks.org an die Server der Aktivisten in Schweden unterbunden hatte, mussten die Anwender im Web zunächst auf die Internetadresse http://213.251.145.96 ausweichen, die sofort in Netzwerken wie Twitter verbreitet wurde.

Nach einem Aufruf von Assange, die Seiten von Wikileaks im Netz zu "spiegeln", haben Sympathisanten inzwischen Hunderte Server in aller Welt zur Verfügung gestellt und dort das Projekt "Cablegate" hinterlegt. Und so kann man nun die umstrittenen Dokumente auch auf etlichen Servern aus Deutschland finden, die mit der Internet-Domain. de im Netz stehen. Um die Aktualisierung der Datenbestände kümmert sich Wikileaks. Sobald neue "Cables" veröffentlicht werden, spielen die Aktivisten ein "Update" auf die Spiegel-Server - und sorgen dafür, dass es für die Gegner der Veröffentlichung keinen zentralen Angriffspunkt mehr gibt.

http://wikileaks.quintessenz.at

Auch die heimischen Netzaktivisten des Vereins Quintessenz haben http://wikileaks.quintessenz.at eingerichtet. Die Grünen wollen ebenfalls die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die Piratenpartei unterstützt Wikileaks.

Risiko

Für manche US-Bürger ist aber das Stöbern in den Wikileaks- Beständen mit einem gewissen Risiko verbunden. So dürfen Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes offiziell die geheimen Dokumente nur dann lesen, wenn sie für die entsprechende Geheimhaltungsstufe zugelassen sind - egal ob die "New York Times" bereits über den Vorgang berichtet hat oder nicht. Studenten der Columbia University wurden vom "Karriere-Service" der Hochschule gewarnt, in Netzwerken wie Twitter oder Facebook auf die geheimen Dokumente zu verlinken, da dies ihnen später bei Einstellungsgesprächen für den Öffentlichen Dienst und einer möglicherweise notwendigen Sicherheitsüberprüfung für sensible Jobs schaden könne. Zuvor hatte ein ehemaliger Student, der nun im Außenministerium arbeitet, die Universität auf die mögliche "Karrierefalle Wikileaks" hingewiesen.

"Der erste Info-War im Gange"

In den USA regt sich unter den Netz-Aktivisten nun der Widerspruch gegen den Umgang der Regierungsstellen und der beteiligten Internet- Unternehmen. Netzpionier John Perry Barlow, der bereits im Jahr 1996 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die Unabhängigkeit des Cyberspace verkündete, startete auf Twitter eine Unterstützungskampagne für WikiLeaks und sprach von einem "Informationskrieg". "Das Schlachtfeld ist WikiLeaks. Ihr seid die Truppen", twitterte der ehemalige Songschreiber der Rockband Grateful Dead.

"Amazon, Paypal oder everydns.net zählen wohl nicht mehr zur ersten Wahl."

Im Streit um die Veröffentlichung der Dokumente geraten nun auch die Internet-Firmen ins Visier der Netzgemeinde, die Wikileaks wie eine heiße Kartoffeln fallen ließen. Der Bonner Netzaktivist und Blogger Gunnar Sohn steht mit seinen Überlegungen für viele: Man werde sich überlegen müssen, ob man noch Firmen beauftragen oder als Dienstleister nutzen solle, die sich im vorauseilenden Gehorsam zum verlängerten Arm der obrigkeitsstaatlichen Deutungsmächte degradieren ließen. "Man wird sich überlegen, mit wem man kooperiert, Geschäfte abschließt und im Netzwerk zusammenarbeitet: Amazon, Paypal oder everydns.net zählen wohl nicht mehr zur ersten Wahl." (APA/sum/dpa/Reuters)

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