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Shoppen mit Promis für eine gute Sache. Dompfarrer Faber findet die Motive wie die Motten das Licht, meint Thaddäus Podgorski.

APA-FOTO: ANDREAS PESSENLEHNER

Vor den Glauben hat der Herr meist den Zweifel gestellt. Kein Wunder also, dass so mancher Heilige erst durch quälende Fragen die Wahrheit erkannte.

Um wie viel leichter aber zweifelt ein Durchschnittschrist.

Warum lässt Gott Tsunamis und Erdbeben über die Menschheit kommen? Warum verhindert er nicht die großen Katastrophen der Menschheit? Warum lässt er uns von den Banken und den Regierungen belügen und betrügen?

Warum lässt er den Dompfarrer Faber ungebremst missionieren?

Aber - ich muss den Dompfarrer Faber in Schutz nehmen: Er ist der richtige Mann am richtigen Ort. Er kennt keine Glaubenszweifel. Ich weiß das.

Vor einigen Jahren veranstaltete der Kardinal mit Günther Nenning eine "Stadtmission". In Gastund Kaffeehäusern sollte ein prominenter Skeptiker mit einem hohen geistlichen Würdenträger diskutieren. Über Gott und die Welt. Hauptsächlich über Gott.

Ich diskutierte im Café Eiles. Mit Dompfarrer Faber. Über Gott zu reden ist peinlich, dennoch fragte ich den Dompfarrer, ob er so mir nix, dir nix zum Glauben gefunden habe.

"Ja", meinte er. Er wäre schwer krank gewesen, die Ärzte hätten ihn schon aufgegeben, und dennoch wurde er innerhalb kürzester Zeit pumperlgesund.

"Hey", sagte ich, "ein Wunder!"

"Nein", meinte er, "eine Fehldiagnose".

Infolge der Fehldiagnose wurde also der "Homo Faber" zum Dompfarrer. Er hat es ja nicht leicht auf dem Terrain, auf dem er sich bewegt. Bei den meisten Arbeitern im Weinberg Gottes ist das Metier ziemlich genau definiert. Dom Erwin z. B. wird in Brasilien mit dem Tode bedroht, weil er den Indianern helfen und den Regenwald retten will. Michael Landau kümmert sich um die Armen, die Entrechteten und die Sterbenden.

Das sind klassische Arbeitsbilder für Priester mit unerschütterlichem Glauben.

Gebet und Niveacreme
Aber der Dompfarrer ist ein Menschenfischer in einem Meer der Sünde und der Ungläubigkeit, wenn auch mit einem halbseidenen Netz. Vielleicht könnte er Dagmar Koller als Brückenkopf verwenden. Eine Lichtgestalt, die ihre Erscheinung, wie sie sagt, nur dem Gebet verdankt und der Niveacreme. Aber wie gesagt: Viele sind berufen, wenige sind auserwählt.

Er hatte ja schon mehrere Vorgänger auf diesem Gebiet. Da gab es zum Beispiel den Pater Beda, eiBenediktinermönch aus Mariazell. Er pendelte zwischen seiner Pfarre und Wien, nur um in den "Adabei" zu kommen. Die Seitenblicke gab es noch nicht. Er organisierte Prominentenwallfahrten und erzählte zu vorgerückter Stunde gelegentlich den einen oder anderen schlüpfrigen Witz.

Sein schärfster Konkurrent und Nachfolger wurde der "Kaplan Franzl". Der trieb sein Wesen in der Karlskirche. Dort veranstaltete er Vespern für Prominente und wurde häufig für Pressekonferenzen und Veranstaltungen der pharmazeutischen Industrie gebucht.

Ein Großmeister der multimedialen Selbstdarstellung war natürlich der leider viel zu früh verstorbene Pater Paterno. In ihm hätte der Dompfarrer Faber einen echten Konkurrenten gehabt, wäre da nicht die Sache mit den Buben gewesen...

Pater Paterno hat Weihnachtskerzen anfertigen lassen, die seinen Charakterkopf darstellten. Unzählige wächserne Büsten in Kardinalrot.

Wichtigen Leuten schenkte er eine. Weil er mich damals für wichtig hielt, deponierte er eine bei meiner Sekretärin.

Als ich ihn später in der Kantine traf, fragte er: "Hasch mei Kerze kriegt?"

"Ja", sagte ich.

"Gfallts dir?"

"Ja, sehr. Eine Art Votivgabe. Eher ein heidnischer Brauch."

"Hasch mi glei erkannt?"

"Ja, ja, sofort!"

"An was hasch mi erkannt?", fragte er, weil er noch gelobt werden wollte.

"Am Docht", sagte ich.

Dann packte er seine Köpfe ein und ging in die Stadt. Dort gibt es zur Weihnachtszeit viel zu tun für einen Menschenfischer. Unzählige Punschstände müssen besucht werden, eine Charity-Veranstaltung jagt die andere. Mit ihrer Hilfe kommen auch die dubiosesten Firmen und ihre Inhaber ins Fernsehen.

Ein neuer Ablasshandel hat sich etabliert. Wer zahlt, entkommt für einige Zeit der Halbwelt. Kein Wunder also, dass sich ganze Horden von Wohltätern auf den Weg machen und wie die Lachse stromaufwärts ziehen, bis sie endlich bei Licht ins Dunkel ablaichen können.

Dort wird die Barmherzigkeit in Bilder gefasst: Prominente telefonieren mit Leuten aus dem Volk. Und das Volk ist glücklich. Es ist eine Massenbewegung. Wie seinerzeit der "Fit mach mit"-Lauf oder der Schranz-Empfang. "Anonym" spenden war gestern, heute werden die Namen auch kleiner Spender elektronisch in die Mattscheibe gemeißelt.

Herr Karl 10 Euro - Danke! Danke! Danke!

Auch der Herr Bundespräsident telefoniert. Er wirkt viel lockerer als in News: Er ist flankiert von telefonierenden Soldaten, denen geflochtene Telefonkabel von den Schultern hängen und die auf ihren nächsten bewaffneten Friedenseinsatz warten.

Mit einem Wort: Ganz Österreich ist auf den Beinen. Vor allem die Prominenz. Jetzt ist die Chance, ins Fernsehen zu kommen. Aber wo ist das Fernsehen? Immer dem Dompfarrer Faber hinterher!

Er findet die Objektive wie die Motte das Licht. Er ist der gute Hirte in diesen Tagen und seine Schafherde wird immer größer. Und die Aufgaben werden immer schwerer. Es ist nur tröstlich, zu wissen, dass er nicht allein ist. Er hat Raiffeisen an seiner Seite. Er ist der Hermann Maier unter den Seelsorgern.(Thaddäus Podgorski, DER STANDARD; Printausgabe, 4./5.12.2010)