Salzburg - Vier von fünf Menschen über 60 Jahren leiden unter chronischen Schmerzen. Doch die Zahl jener betagten Personen, die auch eine adäquate Schmerztherapie erhalten, ist nach wie vor ungenügend. Das kritisierte der Salzburger Schmerzforscher Günther Bernatzky anlässlich einer Tagung "Schmerz im Alter", die heute, Freitag, im Bildungszentrum St. Virgil in Salzburg stattfindet.
Die Schmerzen von älteren Menschen werden oft nicht oder nicht ausreichend behandelt. "Je älter man ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man Schmerzmittel bekommt", bringt Bernatzky die Situation auf den Punkt. Bei Heimbewohnern oder Menschen mit Demenz ist die Chance, eine passende Schmerztherapie zu erhalten, noch geringer als bei Senioren, die daheim betreut werden, erklärte der Salzburger Wissenschafter. Eine Studie habe gezeigt, dass ältere Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen eine um 20 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit haben, eine Schmerztherapie zu bekommen als Senioren ohne solche Beeinträchtigungen.
Verlangsamte Reaktionszeit
Dass dem Schmerz im Alter zu wenig Augenmerk geschenkt wird, hat viele Gründe, die unter anderem auch bei den Betroffenen selbst liegen: "Alte Menschen können oder wollen ihren Schmerz oft nicht deutlich zeigen, sie wollen nicht jammern", sagte Bernatzky. Gleichzeitig ist es für die Ärzte und Pfleger oft schwierig, Schmerzen zu erkennen und richtig zu diagnostizieren. Die Reaktionszeit auf einen Schmerzreiz kann bei alten Menschen verlangsamt sein, die kognitiven Fähigkeiten nehmen ab, es gibt eine reduzierte Mimik und Körpersprache. Schmerzmessmethoden, die speziell für ältere oder demente Personen entwickelt wurden, werden erst seit kurzem eingesetzt.
Ein weiteres Problem ist, dass Schmerzmedikamente in Kombination mit anderen Medikamenten zu Nebenwirkungen oder gegenseitigen Beeinflussungen führen können. Mangelnde Mobilität, Ängste oder einfach auch die mangelnde Fingerfertigkeit, eine Medikamentenpackung zu öffnen, sind weitere Faktoren, die immer wieder dazu führen, dass ein Patient die Schmerztherapie abbricht oder nicht konsequent durchführt.
Chronischer Schmerz ist schwerer zu behandeln
Hauptursachen für den Schmerz im Alter sind Arthrosen, Osteoporose, Tumore, Diabetes oder neurologische Erkrankungen. Oft führen auch Angst, Depression oder Einsamkeit zu körperlichen Schmerzen, weiß Bernatzky.
"Ich will Menschen Mut machen, mit Schmerzen frühzeitig zum Arzt zu gehen", sagt der Salzburger Wissenschafter. Schon nach wenigen Wochen können Schmerzen nämlich chronisch und damit ungleich schwerer behandelbar werden als rechtzeitig diagnostizierte Probleme. Die Aufklärung der Betroffenen ist Bernatzky ebenso ein Anliegen wie die Fortbildung von Ärzten und Pflegepersonal im Bereich der Schmerzbehandlung. An der Tagung in Salzburg nehmen rund 50 Mediziner teil. Insgesamt sei das Bewusstsein für die Bedeutung von Schmerztherapien in den vergangenen Jahren stark gestiegen, bei älteren und dementen Patienten gebe es aber nach wie vor großen Aufholbedarf, sagte Bernatzky. (APA)