Wien - Knalleffekt wenige Tage vor der offiziellen Präsentation der PISA-Studie 2009 am 7. Dezember: Die OECD wird über die Ergebnisse für Österreich "nur mit Vorbehalt berichten" und "von Vergleichen mit den Ergebnissen früherer PISA-Untersuchungen für Österreich absehen". Das schreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem am Mittwochabend ausgesendeten Terminhinweis über die Vorstellung der Studie in Österreich am kommenden Dienstag. Als Grund wird die "negative Atmosphäre" während der Testphase nach den Boykott-Aufrufen im vergangenen Jahr genannt.

Bei der PISA-Studie werden die Leistungen von 15- bzw. 16-jährigen Schülern in 67 Staaten verglichen. Im Mittelpunkt steht diesmal - neben Kompetenzbereichen Mathematik und Naturwissenschaften - das Lesen. In Österreich wurden im April und Mai 2009 rund 6.500 Schüler des Jahrgangs 1993 - also am Ende ihrer Pflichtschulzeit - zwei Stunden lang getestet.

Boykott-Aufrufe umgesetzt

"Die Tests für PISA 2009 wurden in Österreich in einer Zeit durchgeführt, die durch eine Auseinandersetzung zwischen der Lehrergewerkschaft und dem Unterrichtsministerium geprägt war", schreibt die OECD in ihrer Aussendung und erinnert damit an die Boykott-Aufrufe im Zuge der Auseinandersetzung um die Lehrerarbeitszeit zwischen Lehrergewerkschaft und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) im Frühjahr vergangenen Jahres. Dieser Aufruf sei zwar wenig später widerrufen worden, "dennoch haben einzelne Testteilnehmer an PISA 2009 diesen Boykott umgesetzt". Es hätten deshalb Testbögen, die erkennbar von diesem Boykott betroffen waren, aus dem Datensatz für Österreich entfernt werden müssen, schreibt die OECD.

Bericht mit Vorbehalt

"Auch wenn der Datensatz für Österreich nach dieser Bereinigung den technischen Standards für PISA 2009 entspricht, kann die negative Atmosphäre während der Testphase die Motivation und Leistungen der Testteilnehmerinnen und -teilnehmer beeinflusst haben", heißt es seitens der OECD, die daher "davon ausgehen muss, dass die Testbedingungen unter denen die Daten 2009 erhoben wurden nicht uneingeschränkt mit den Testbedingungen früherer PISA Studien vergleichbar sind". Aus diesem Grund wird die OECD die Ergebnisse für Österreich nur mit Vorbehalt berichten und keine Vergleiche mit den Ergebnissen früherer PISA-Untersuchungen ziehen.

BIFIE: Daten sauber und verwendbar

Welchen Aussagewert die Österreich-Ergebnisse der neuen PISA-Untersuchung dann noch haben, wenn keine Vergleiche mit früher gezogen werden können und die aktuellen Ergebnisse nur mit Vorbehalt zu sehen ist, ist derzeit noch nicht klar.

Nach Angaben der Leiterin des Salzburg-Zentrums des Instituts für Bildungsforschung (BIFIE), Claudia Schreiner, sind die Österreich-Daten der PISA-Studie "aus wissenschaftlich-technischer Sicht sauber und verwendbar". Die Testhefte jener vergleichsweise wenigen Schüler, die die Teilnahme boykottiert haben, seien ausgeschieden worden, so Schreiner am Mittwoch Abend im Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Die OECD habe sich deswegen auch entschlossen, den Datensatz zu verwenden und bestätigt, dass die technischen Standards eingehalten wurden. 

Haider: "Lässt wenig Gutes erwarten"

Auch der Leiter des BIFIE, Günter Haider betonte, dass die Daten "über jeden Zweifel erhaben" seien.  Dass die "bekannt nüchterne OECD" sich schon vor Veröffentlichung der Ergebnisse zu deren möglichen Hintergründen äußere, "lässt aber wenig Gutes erwarten".

Interessant an der Einschränkung durch die OECD sei jedoch, dass diese sich seines Wissens nach zum ersten Mal zu den Ursachen eines Länderergebnisses äußere, so Haider. "In der Sache waren die Tests korrekt. Was die OECD beschreibt, ist, dass die negative Atmosphäre möglicherweise die Testteilnehmer negativ beeinflusst hat", so Haider. Die vielschichtigen möglichen Ursachen der Ergebnisse zu kommentieren sei allerdings nicht Aufgabe des BIFIE, sondern der Politik.

Schmied: "Studie von großer Relevanz"

Unterrichtsministerin Claudia Schmied nimmt trotz der Vorbehalte die PISA-Studie 2009 "sehr ernst". Die Studie sei für sie "von sehr großer Relevanz", sagte Schmied am Donnerstag im Gespräch mit der APA. Für Schmied ist die Diskussion zwischen OECD und BIFIE "ein Methodenstreit, den ich auch gerne den Experten überlassen möchte".

Aus diesem Grund habe sie auch das BIFIE beauftragt, gemeinsam mit der OECD hier noch mehr ins Detail zu gehen. Vielleicht könne man so doch noch "Validität für den Längsvergleich bekommen". (APA)