Auch so kann "betreubares Wohnen" aussehen: Behinderte Jugendliche und betagte Menschen sollen in einem Gasthof im Gurktal direkt an einer Durchzugsstraße untergebracht werden

Foto: Gerhard Maurer

Klagenfurt - Die Meldung über illegale "gefährliche" Pflege in einem privaten Pflegeheim in Pörtschach kam Kärntens Soziallandesrat Christian Ragger (FPK) denkbar ungelegen. In der ehemaligen Pension waren schwer pflegebedürftige Menschen von schlecht ausgebildetem Pflegepersonal unzureichend versorgt worden. Ragger sah sich veranlasst, sofort einzuschreiten.

Von seinem Vorhaben, die gemeinnützigen Anbieter von Pflegeheimen und mobilen Diensten zugunsten privater Heimerrichter und -betreiber zurückzudrängen, lässt er sich dennoch nicht abbringen. Drängen doch freiheitliche Parteigenossen zunehmend ins lukrative Geschäft mit den Alten und Behinderten, vornehmlich solchen der Pflegestufe eins bis drei, die (außer Demenzkranke) nicht mehr in Kärntner Pflegeheimen aufgenommen werden dürfen. Für diese soll verstärkt "betreubares Wohnen" angeboten werden. Dieses unterliegt - sofern von Privaten betrieben - nicht dem Kärntner Heimgesetz. Die alten Menschen mieten sich in die Objekte ein und kaufen bei Bedarf mobile Pflege zu.

"Geschäftemacherei"

Der jüngste Vorstoß des freiheitlichen Sozialpolitikers Ragger freilich hat heftigen Aufruhr bei den gemeinnützigen Anbietern mobiler Dienste, wie etwa Hilfswerk, Rotes Kreuz, Caritas, Volkshilfe etc. ausgelöst: Auf seinen Antrag hin beschloss die Kärntner Landesregierung die Installierung neuer "minimobiler Dienste", auch auf privatwirtschaftlicher, profitorientierter Basis. Diese könnten flächendeckend überall dort stationiert werden, wo "betreubares Wohnen" - gemeinnützig oder privat - angeboten wird, und das gesamte Gemeindeumfeld pflegerisch versorgen, sagt Ragger im STANDARD-Gespräch.

Direkt an der Durchzugsstraße

Wie ein solcher privater Modellversuch in der Realität aussehen könnte, zeigt ein Projekt in der Gemeinde Weitensfeld im Kärntner Gurktal. Dort plant der FPK-Landtagsabgeordnete Manfred Stromberger gemeinsam mit dem Arzt und früheren BZÖ/FPK-Kommunalpolitiker Gerhard Stingl, behinderte Jugendliche und alte Menschen samt "Mini-Mobs" im unrentablen Gasthof eines Parteifreunds unterzubringen. Ein leerstehendes Nachbarhaus soll dazugekauft und umgebaut werden. Ein Lokalaugenschein des Standard ergab: Beide Objekte liegen direkt an einer vielbefahrenen Durchzugsstraße und grenzen rückseitig an einen steilen Abhang.

Stromberger sieht kein Problem: "Wir werden alles behindertengerecht gestalten und einen geregelten Zebrastreifen beantragen." Für Sieglinde Trannacher, Projektleiterin der Volkshilfe, grenzt das an "Menschenverachtung". Früher habe man abgewirtschaftete Tourismusbetriebe mit Flüchtlingen wieder in die Gewinnzone gebracht, "jetzt will man das offenbar mit den alten und kranken Menschen machen".

"Üble Geschäftemacherei"

Wie Trannacher sieht auch Horst Krainz, Geschäftsführer des Hilfswerks Kärnten, eine große Verdrängungsgefahr für die gemeinnützigen Anbieter: "Man wird uns einfach gezielt aushungern." Denn die "Mini-Mobs" würden in Raggers Leistungsberechnung die Pflegestunde mit 25,47 Euro für die Klienten wesentlich billiger als die Gemeinnützigen (57 Euro) ansetzen, da sämtliche Fahrtkosten wegfallen. Dem Landesbudget würde das eine Kostenminimierung von 80 Prozent bringen, argumentiert der Sozialreferent. "Die Gefahr ist, dass es auch zu übler Geschäftemacherei kommt", befürchten die Gemeinnützigen. Auf der Strecke bliebe die Qualität der Pflege. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD Printausgabe, 2.12.2010)