Wien - Das Bildungsprogramm der ÖVP sieht eine "Mittlere Reife" vor, die zum Besuch einer höheren Schule berechtigen soll. Mit einem Modulsystem soll das Sitzenbleiben der Vergangenheit angehören. Sechsjährige, die nicht ausreichend Deutsch können, will die ÖVP in eine Vorschule schicken. Nicht durchringen konnte sich die ÖVP in ihrem Bildungsprogramm, über das die "Presse" in ihrer Donnerstag-Ausgabe berichtet, zu einer gemeinsam Schule der Zehn- bis 14-Jährigen.
ÖVP hält an Trennung Hauptschule und AHS fest
Im Kindergarten soll es nach den Vorstellungen der ÖVP regelmäßig "Sprachstandsfeststellungen" geben. Fallen diese negativ aus, sollen die Betroffenen im letzten Kindergartenjahr verpflichtend "integrative Sprachschulen" besuchen und ganztags betreut werden. Wer vor der Einschulung noch immer nicht gut Deutsch kann, muss mit sechs Jahren verpflichtend in die Vorschule statt in die Volksschule. Dort sollen Betroffene in Trainings Deutsch schnell nachlernen. Sie kämen dann also mit einem Jahr Verspätung in die Volksschule.
In der Volksschule sollen laut den ÖVP-Plänen künftig alle, die Deutschmängel haben, verpflichtend Förderkurse am Nachmittag besuchen. "Begleit- und Evaluierungsverfahren" sind für das Ende der dritten, für Anfang sowie Mitte der vierten Klassen vorgesehen. Sie sollen in eine "Bildungsempfehlung" münden. Fällt diese negativ aus, soll ein Volksschüler noch nicht in die Sekundarstufe I wechseln.
Hauptschule soll aufgewertet werden
An der Trennung in die bisherigen Hauptschulen und AHS-Unterstufen hält die ÖVP fest. Die Hauptschule soll aber aufgewertet werden und "Mittelschule" (oder auch "Realschule") heißen. Schüler sollen dort besser gefördert werden, nach vier Jahren sollen sie die Schule mit einer "Mittleren Reife" abschließen können. Bestehen die Schüler diese (freiwillige) Prüfung in Deutsch, Englisch, einer lebenden Fremdsprache und zwei Schwerpunktfächern (oder einem weiteren Kern- und einem Schwerpunktfach), dann sollen sie in die AHS-Oberstufe und an alle anderen höheren Schulen wechseln dürfen. Wer an der "Mittleren Reife" scheitert, kann ein Jahr lang ein aufgewertetes "Polytechnikum neu" besuchen und danach noch einmal für die "Mittlere Reife" antreten.
Sowohl für AHS-Unterstufe als auch "Mittelschulen" sind von der ÖVP Leistungsgruppen in Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und Schwerpunktfächern angedacht, in anderen Fächern könnte es mehr innere Differenzierungen geben. Ein Wechsel zwischen "Mittelschule" und AHS-Unterstufe soll leichter werden, Details sind aber vorerst noch offen. Für beide Schultypen soll laut ÖVP gelten: Wer den Lernerfolg nicht erbringt, soll verpflichtend Förderstunden am Nachmittag besuchen.
Kein Durchfallen mehr
Spätestens ab der neunten, möglichst schon ab der fünften Schulstufe will die ÖVP ein modulares Kurssystem einführen. Durchfallen wäre damit Geschichte - oder in Einzelfällen die "Ultima Ratio". Wer in einem Fach das Ziel nicht erreicht, soll in der Regel nur den Gegenstand nachholen, nicht ein ganzes Jahr.
Besonders Begabte sollen in "High Potential Groups", die zu einzelnen Fächern oder Themen gebildet werden, auf höchstem Niveau gefördert werden. Für die "Groups" sollen die Schulen selbst zuständig sein.
Das Bildungspapier haben Experten der ÖVP unter der Leitung von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl erstellt. Ihr Wunsch nach einem „Gymnasium für alle" kommt darin aber nicht vor.
ÖVP-Zentrale dementiert
Die ÖVP hat am Mittwochabend klargestellt, dass ihr Bildungsprogramm noch in Abstimmung sei. "Es gibt noch kein fertiges Papier", hieß es aus der ÖVP-Zentrale gegenüber der APA zu dem von der "Presse" veröffentlichten ÖVP-Konzept. Auf einen konkreten Zeitpunkt für eine Präsentation wollte man sich in der ÖVP-Zentrale nicht festlegen. Es hieß nur, dass es präsentiert werde, wenn es fertig ist. (APA/red, derStandard.at, 1.12.2010)