Der russische Premierminister Wladimir Putin hat mit seiner Drohung, das russische Kernwaffenarsenal wieder aufzustocken, einen Gang zugelegt. Sollten Russlands Vorschläge zur Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nicht angenommen werden und entlang der russischen Grenze zusätzliche Bedrohungen durch einen Raketenschild entstehen, werde Russland seine eigene Sicherheit auch mit neuer Kernwaffentechnik gewährleisten müssen, sagte Putin in einem Interview mit CNN-Moderator Larry King.
"Das ist nicht unsere Wahl. Wir wollen nicht, dass dies geschieht. Das ist auch keine Drohung von unserer Seite. Wir wollen einfach sagen, dass das alles ist, was wir erwarten, wenn wir zu keinem Übereinkommen gelangen" , sagte Putin. Einen Tag zuvor hatte bereits der russische Präsident Dmitri Medwedew in seiner Rede zur Lage der Nation vor einem neuerlichen Wettrüsten gewarnt, sollten es die USA nicht schaffen, den Abrüstungsvertrag Start III zu ratifizieren.
Papiertiger aus dem Kreml
Russische Experten bezweifeln, dass es sich bei der Drohung um mehr als einen "Papiertiger" handelt. Alexander Konowalow, Direktor des Instituts für strategische Einschätzungen und Analysen, bezeichnete die Drohung als "vollkommenen Unsinn" . Russland habe weder die Finanzen noch die Technologien und die Kapazitäten für ein neues Wettrüsten. Auch Sicherheitsexperte Pawel Felgenhauer hält aufgrund der technologischen Rückständigkeit der russischen Rüstungsindustrie ein Wettrüsten für wenig wahrscheinlich.
Mit ihren Drohungen versucht die russische Führung den Druck auf die Vereinigten Staaten zu erhöhen. Medwedew und sein US-Amtskollege Barack Obama hatten im Frühjahr ein neues Abrüstungsabkommen unterzeichnet, das die Reduzierung der Nuklearwaffen um 30 Prozent vorsieht. Nach den Verlusten der Demokraten bei den Kongresswahlen ist die Ratifizierung des Vertrages jedoch schwieriger geworden. Der Start-Vertrag sei für die Sicherheit der USA absolut notwendig, appellierte Obama am Dienstag an die Republikaner. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2010)