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Die Region Mittel- und Osteuropa bleibt zwar Wachstumsmotor, aber nur noch für Europa.

Wien - Die Region Mittel- und Osteuropa (CEE) hat in der Wirtschaftskrise als ein globaler Wachstumsmotor abgedankt und wird diese Rolle auch künftig nicht mehr erlangen können, erklärte Vladimir Preveden, CEE-Experte bei Roland Berger. In Europa hingegen werde der als Brückenkopf in den Osten geltende Raum nach wie vor schneller wachsen als Westeuropa - mit einem Vorsprung von zwei Prozentpunkten. Dazu komme, dass CEE von Unternehmen zunehmend in Subregionen unterteilt werde, ergab eine Umfrage unter 320 Managern in der Region im Rahmen der Studie "CEE in 2020".

Österreichs Wirtschaft sei in der ehemaligen Boom-Region sehr gut positioniert und könnte von der prognostizierten Erholung am meisten profitieren, glaubt Preveden. Allerdings werde es "nicht mehr so einfach werden" wie in der Vergangenheit, da der Wettbewerb zunehme. "Russische und türkische Unternehmen dehnen vermehrt ihren Einfluss in der Region aus", sagte er bei einer Pressekonferenz. Das künftige Umsatzwachstum werde aber kaum neue Jobs bringen, ist die Einschätzung der befragten Manager. Mehr Jobs würden lediglich in der Ukraine, Polen und Rumänien erwartet.

Wien als Brückenkopf unter Druck

Auch bei der Headquarters-Frage für die Region sieht Preveden Wien als Brückenkopf für die Region unter Druck kommen: Prag und Warschau, aber auch Zagreb würden immer öfter in den Überlegungen der Unternehmen eine größere Rolle spielen. Dazu werde das Management der Region in Subregionen aufgesplittert. Den Grund dafür sieht der Consulter in der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung: Während Polen, Tschechien und die Slowakei wieder wachsen würden, sei die Lage in Südosteuropa viel schlechter, einige Staaten wie etwa Kroatien würden noch immer schrumpfen. "Die Region wird noch heterogener werden", so Preveden.

Ein Beleg dafür sei, dass Tschechien und Slowenien als voll entwickelte Volkswirtschaften gesehen würden und die anderen zentraleuropäischen Staaten Ungarn und Slowakei seien auf dem Weg dorthin, wenn auch mit unterschiedlichem Tempo, betonte Preveden. Dort liege der Fokus bereits verstärkt auf Innovation. Bulgarien, Serbien und Rumänien könnten hingegen noch immer als verlängerte Werkbank Westeuropas punkten, wobei Rumänien aufgrund der relativ hohen Lohnstückkosten einen deutlichen Nachteil habe. Führend bei den Lohnstückkosten seien die Slowakei, Polen und Ungarn.

Ein von Unternehmen und Politik unterschätztes Problem ist nach Meinung Prevedens die Teilung in ein demografisch wachsendes Westeuropa vor allem aufgrund von Migration, und ein schrumpfendes Osteuropa. Prognosen zufolge soll etwa die Bevölkerung Russlands und der Ukraine bis 2030 um mehr als 10 Prozent schrumpfen, während Österreichs Bevölkerung um 5 bis 10 Prozent zulegen soll. Dazu komme der schon seit Jahren beobachtbare "Brain Drain" in der Region, also die Abwanderung gut ausgebildete Arbeitskräften. Dazu würden die CEE-Staaten im Bildungsbereich an Terrain verlieren: Nur Österreich und Tschechien würden in internationalen Uni-Rankings unter die Top 300 kommen.

Eigenes Wirtschaftsmodel

Die wirtschaftliche Zukunft der Region hängt nach Ansicht des Roland-Berger-Experten vor allem mit der Frage zusammen, ob die Region ein eigenes Wirtschaftsmodell entwickeln könne. Hier gebe es erste positive Anzeichen: So hätten die Exporte der neuen EU-Mitgliedstaaten untereinander stärker zugenommen als in die alten EU-Staaten, wenn auch von einem deutlich geringeren Niveau ausgehend. Allerdings müsse noch viel mehr getan werden, ist Preveden überzeugt.

Als größte Hindernisse für ihre Unternehmen nannten die befragten Manager neben Bürokratie den Rechts- und Steuerrahmen, die institutionelle Ausgestaltung sowie die vielfach noch immer mangelnde Infrastruktur. Als Pluspunkte kann die Region ihre geografische Lage zwischen dem wichtigsten Wirtschaftsraum Westeuropa und den beiden aufstrebenden Volkswirtschaften Russland und Türkei verbuchen. Als Zukunftsindustrien bis 2020 wurden vor allem Energie, IT, Telekom und Pharma genannt, während Metall und Chemieindustrie am unteren Ende gesehen werden. (APA)