Der ORF setzt seinen Dokuschwerpunkt mit drei Filmen zu den "Idolen der Nazis" in der Reihe "Menschen & Mächte" fort. Darin beleuchten die Filmer aufwendig die Mythen und Legenden, aber auch die Lebenslügen von drei vorgeblichen Vorbildern, die den Zerfall des NS-Reichs überdauert hatten. Den Anfang macht ein Porträt des Österreichers Otto Skorzeny am 2. Dezember auf ORF 2, in dem die Macher aufschlüsseln, wie der Ruf des NS-Karrieristen als "James Bond" des Nazi-Reichs zustande kam und wie unkritisch die selbst aufgebauschte Biografie von internationalen Medien der Nachkriegszeit übernommen wurde.
Skorzeny, ein gebürtiger Wiener, darf ohne Zweifel als Überzeugungstäter bezeichnet werden: Der 1908 geborene erfolgreiche Unternehmer in der Zwischenkriegszeit schloss sich schon im Untergrund den Nationalsozialisten an, um nach dem "Anschluss" als Teil der neuen gesellschaftlichen Elite freiwillig in den Krieg zu ziehen. Einer seiner Mentoren war der gefürchtete SS-Statthalter Ernst Kaltenbrunner, der später im Zuge der Nürnberger Prozesse hingerichtet wurde. Wechselseitige Bewunderung verband ihn auch mit Adolf Hitler selbst, der ihn immer wieder persönlich mit Geheimmissionen beauftragte.
Der SS-Mann machte ohne nennenswerte Ausbildung militärische Karriere, die jedoch von führenden Offizieren und Wegbegleitern, die in der Dokumentation zu Wort kommen, äußerst kritisch bewertet wurde. So zeigte sich die von Skorzeny durchgeführte Befreiung Benito Mussolinis, die ihn im Dritten Reich berühmt machte, aus heutiger Sicht als von übermäßigem Glück begleitetes Himmelfahrtskommando, in dem er selbst gegen die Regeln das Heft in die Hand genommen hatte. Auch die Legende, er habe ein Attentat auf den damaligen US-Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower mitten in Paris geplant, entpuppte sich später eher als effektvolles Gerücht.
Autobiografie mit Heldensagen
Skorzeny entging einer Verurteilung bei den Nürnberger Prozessen mit Glück und nutzte die folgende Zeit, an einer Autobiografie zu schreiben, in der er wahre Heldensagen verbreitete, wie der Film belegt. Die darin selbst zurechtgerückten Mythen eines abenteuerlustigen und gewitzten Draufgängers waren aber offenbar der Stoff, auf den die Medien der Nachkriegszeit gewartet hatten.
Die tolldreisten Geschichten blieben bis zuletzt mehr oder weniger unhinterfragt, was den Historiker und Filmemacher Robert Gokl zu dem nun vorliegenden Porträt anspornte. Mittels zahlreicher Interviews von Zeitzeugen und umfangreicher Archivrecherche dekonstruierte er den Mythos des noch heute unter Neonazis und Kriegsromantikern verehrten Skorzeny. Die bizarren Auswüchse dieser Verehrung zeigt der Film ebenfalls eindrücklich, etwa in jener Szene, in der junge Burschen eine Art Mahnwache vor dem Grab des SS-Mannes in Wien abhalten.
Aufwand betrieben die Macher in jenen Passagen, in denen mit Schauspielern entscheidende Passagen, die Skorzeny selbst in seinem Buch geschildert hatte, nachgestellt wurden. Sogar die Lastensegler, mit denen die Befreiung Mussolinis durchgeführt wurde, bauten sie nach Originalplänen nach.
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sprach bei der Präsentation von "Otto Skorzeny - SS-Agent für Hitler" von einer "der herausragenden Leistungen des ORF". Man habe "noch die Chance, Zeitzeugen zu interviewen und so ein einmaliges historisches Archiv für Österreich und die Nachwelt zu schaffen".
Teil zwei der Dokureihe dreht sich um "Hanna Reitsch - Hitlers Fliegerin" und wird am 9. Dezember ausgestrahlt. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Entertainerin "Marika Rökk - Ein Star für alle Jahreszeiten". (APA)