Wien - "Ich glaube, ich habe den besten Diplomatenposten der Welt, denn ich bin in Wien!", sagt der seit 2009 amtierende Wiener US-Botschafter William Eacho gleich zu Beginn einer Schülerdebatte in der Hauptbücherei, organisiert vom Standard und dem Europäischen Wirtschaftsforum.
Die Atmosphäre ist trotz der an den Ausgängen postierten Bodyguards entspannt, und rund 120 Jugendliche lauschen beeindruckt den Schilderungen Eachos über die Begegnung mit US-Präsident Obama. "Früher war ich Republikaner. Doch dann hatte ich die Nase voll und fand, es ist Zeit für Veränderung." Als er Obama noch vor seiner Kandidatur kennengelernt hatte, imponierte ihm dessen Fähigkeit, mit Menschen auf emotionaler Ebene in Verbindung zu treten, so sehr, dass er sich sicher war, den nächsten Präsidenten vor sich zu haben.
Seine Prophezeiung bewahrheitete sich. Und Obama erinnerte sich auch nach seiner Wahl noch an Eacho und wollte ihn treffen. "Ich sagte zu ihm: An diesem Punkt ist es nebensächlich, ob wir sagen, wir schicken mehr Truppen in den Irak oder wir ziehen sie ab. Wichtig ist, zu betonen, dass du von Anfang an gegen diesen Krieg warst", erzählt Eacho. "Und Obama fing wirklich an, das in seine Reden einzubauen."
Der ehemalige Geschäftsführer der privaten Investmentfirma Carlton Capital Group lobt die Friedenseinsätze Österreichs im Kosovo und den Konsens mit den USA bezüglich der Sanktionen für den Iran. "Wir schätzen es, wenn uns ein neutrales Land zustimmt - denn das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg", meint Eacho.
Die Fragen der Jugendlichen sind breitgefächert. "Was wollen die USA gegen ihre Schulden tun?", möchte etwa Jonathan (16) wissen. Man sollte die Schulden nach einer Regeneration der US-Wirtschaft verringern können, ist Eacho überzeugt. Erschwert werde das aber durch die starke Abneigung einiger Interessengruppen gegenüber Steuererhöhungen. "Manche Politiker wollen nur eine Plattform, um über ihre Ideologie zu reden. Für sie ist es eine echte Herausforderung, die Wahrheit zu sagen", weiß der Botschafter.
Johanna (16) interessiert besonders, was die USA gegen den Klimawandel tun, woraufhin der 55-jährige das Kopenhagener Klima-abkommen lobt, eine globale Kohlensteuer vorschlägt und die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA betont. Hinderlich seien die verschiedenen Ansichten der beiden Wirtschaftsräume: Während Europa auf Vorbildwirkung setzt, fordern die USA, dass Länder wie China und Indien mitziehen.
Nachdem Eacho klarstellt, gar nicht gewusst zu haben, in welchem Land er künftig arbeiten würde, möchte Patrick (14) wissen, ob er aufgrund der nationalsozialistischen Geschichte Vorurteile gegenüber Österreich gehabt habe. "Das gehört der Vergangenheit an. Let's move on!", reagiert der Diplomat gelassen.
Bezüglich der starken Zugewinne der FPÖ findet der US-Botschafter sehr klare Worte: "Ja, das ist beschämend. Doch gerade deswegen ist Bildung so wichtig. Es ist unsere Aufgabe, zu zeigen, dass Diversität etwas Gutes ist."
Sara (16) zeigt sich nach der Debatte vor allem von der Rhetorik des US-Botschafters beeindruckt: "Ich fand es gut, wie er seine Thesen mit Beispielen untermauert hat, um uns von dem Gesagten zu überzeugen." Auch Eacho hat das Gespräch gefallen: "Die Vielfalt und Direktheit der Fragen waren erfrischend, denn junge Menschen sind nicht immer diplomatisch." Allzu großen Wert scheint er auf diplomatische Aussagen ohnehin nicht zu legen: "Ich sage was ich denke, denn ich bin nun mal kein ausgebildeter Diplomat."
(Aurora Orso, DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2010)