Wels - Das Licht im Raum des Alten Schlachthofs geht aus, nur noch vereinzelt hört man leises Tuscheln. Unter dem Publikum zwei Jungregisseure: "Ich bin schon so aufregt!". Spätestens als der Film beginnt, verstummen auch die letzten Stimmen. Die Spannung der Zuschauer und der Filmemacher ist spürbar und vergeht erst, als der Abspann unter tosendem Applaus zu sehen ist.
Bereits zum 12. Mal ging Ende November das internationale Jugend-Film-und-Medien-Festival in Wels über die Bühne. Die "Youki" stand diesmal ganz im Zeichen der Utopie. 86 von 462 eingereichten Filmen wurden vorgestellt und gaben engagierten jungen Filmemachern aus aller Welt die Möglichkeit, sich mit anderen Künstlern zu messen. Chuck (18) ist aus Dublin angereist. Der gutgelaunte Ire sagt begeistert: "Es ist fantastisch hier, und die Filme sind großartig". Nächstes Jahr wolle er auf jeden Fall wiederkommen.
Kein Leistungsdruck
Das Festival bestehe allerdings nicht nur aus "dem Aushängeschild", wie Sebastian Höglinger, einer der Organisatoren, die Filme lächelnd bezeichnet. Es werden auch Medienworkshops in kritischem Schreiben, DJ-ing oder Schauspielen abgehalten. Dabei ist es Höglinger wichtig, dass diese "ohne Leistungsdruck ablaufen und die 'Youki' nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum gegenseitigen Austausch genutzt wird."
Bereits am Tag der Eröffnung wird klar, dass sein Wunsch erfüllt wird. Nicht nur der Eröffnungssaal droht zu platzen, auch im Gästebüro und auf dem Gang tummeln sich Menschen verschiedenen Alters und aus unterschiedlichsten Nationen. Unzählige Sprachen hallen durch den Raum, und man schafft es kaum, zur Informationstheke vorzudringen. Den Gästen scheint das nichts auszumachen, sie unterhalten sich einfach weiter. Diese Offenheit schätzt auch Handina (11) aus Berlin, die es genießt, "dass man von so vielen Leuten angesprochen wird". Während des mehrtägigen Filmmarathons bestimmten Jury und Publikum die überzeugendsten Beiträge. Zombies, denen mit Stühlen der Kopf zertrümmert wird, Albträume in Form kichernder Taucherleichen und eine Apokalypse, die dann doch keine war. Aber auch ernsthafte Beiträge über Selbstfindung, Zukunftsträume und Rassismus waren unter den Einreichungen.
Meteor Impact und In deiner Haut teilen sich in der jüngsten Alterskategorie von zehn bis 14 Jahren den Hauptpreis. Unterschiedlicher könnten die beiden Filme aber nicht sein. Im ersteren eineinhalb Minuten dauernden Stummfilm versucht Hauptdarsteller und Regisseur Johannes Smolle aus Graz, den vermeintlichen Weltuntergang zu verhindern und bringt das Publikum zum Lachen. In deiner Haut thematisiert hingegen das Thema Rassismus in der Schule. Mit den lobenden Worten: "Klug, ohne altklug zu sein. Witzig, ohne dabei oberflächlich zu bleiben. Frech, ohne die Ehrfurcht vor den Figuren zu verlieren", begründete die Jury ihre Entscheidung.
Der Hauptpreis in der zweiten Altersklasse ging an die Doku Danny Crash, in der vier Schüler aus Deutschland die Innenwelt des Jugendlichen Daniel Noll alias Danny Crash beleuchten. Er erzählt von seiner Vergangenheit und davon, wie er von seinem Umfeld und seiner Leidenschaft zum HipHop geprägt wurde.
Auch der schwedische Spielfilm Close To You befasst sich mit der Lebenswelt eines jungen Menschen. Die Protagonistin sieht sich mit bisher unbekannten Gefühlen konfrontiert und versucht diese in einem aufwühlenden Selbstfindungsprozess, begleitet von den Kameras, aufzuarbeiten.
Neben Drehbuch- und Onlinepreis, die via Internetvoting ermittelt wurden, wurden der Publikumspreis und der Sonderpreis der Jury vergeben. Dieser ging an den 18-jährigen Patrick Derieg aus Linz, der in Aufhebung der Wirklichkeit im Lichtspieltheater eine Horde Zombies auf ein Kino loslässt. "Er verlässt sich nicht auf genreübliche Konventionen, sondern kreiert eine eigenwillige Erzählweise und Atmosphäre. Man hat das Gefühl: Würden in Linz die Zombies losbrechen, würde es sich genauso abspielen", ist die Jury begeistert. Derieg selbst meint bescheiden: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich gewinne, sonst hätte ich mich ein bisschen feiner angezogen."
Auch der Publikumssieger Calvin Fragmenti zeichnet sich durch seine unkonventionelle Thematisierung des Horrors aus. "Es geht darum, dass am Geburtstag des Protagonisten sein bester Freund ertrinkt und sich jener dafür die Schuld gibt", erklären die zwei deutschen Schüler Manuel Ostwald und Phillipp Westerfield. Um das Festival aber nicht mit einem Bild dieses Psychothrillers enden zu lassen, brachte DJ Bernhard Fleischmann das Publikum am Abend der Abschlussgala richtig zum Feiern.
(Marie-Christin Hiesberger, Bath-Sahaw Baranow, Vanessa Gstrein/ DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2010)