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Übergab Bradley Manning die Depeschen?

AP Photo, File

Das Bild zeigt ein glattes, rotwangiges Jungengesicht, das Gesicht eines Teenagers. Bradley Manning sieht jünger aus, als er ist. Doch trotz seiner Unschuldsmiene gilt der 22-Jährigen vielen US-Amerikanern als Verräter.

Mit großer Sicherheit war es Manning, der Wikileaks die geheimen diplomatischen Depeschen zuspielte. Sein Talent am PC ließ den Obergefreiten im US-Militär rasch in eine Vertrauensposition aufsteigen. Die Armee schickte ihn auf eine Militärbasis im Irak, um geheime Daten zu analysieren.

Im Jänner sieht er ein Video, eingestuft als "top secret" . Es zeigt, wie die Piloten eines Kampfhelikopters Raketen auf Iraker abfeuern, die sie für Aufständische halten. In Wahrheit sind es Zivilisten, unter ihnen der Fotograf einer Nachrichtenagentur. Im Februar gibt Manning das Video an Wikileaks weiter. Im April spielt es dessen Gründer Julian Assange der Presse vor.

Dass Manning kurz darauf verhaftet wird, liegt wohl an seinem Geltungsbedürfnis. Im Internet brüstet er sich gegenüber dem Hacker Adrian Lamo damit, an einer sprudelnden Quelle zu sitzen. Hillary Clinton werde bald eine Herzattacke erleiden, wenn sie merke, dass geheime Datenspeicher der US-Außenpolitik der Öffentlichkeit verfügbar seien. Die Daten brennt der Gefreite auf CD und schmuggelt sie getarnt als Musik von Lady Gaga aus der Kaserne.

Dass sein Idol Lamo ihn verrät, kann Manning nicht ahnen. Der Verrat von US-Geheimnissen verrate das Leben von Soldaten, das wolle er nicht decken, sagte der Hacker Lamo. Am 26. Mai 2010 wird Bradley Manning festgenommen. Seit Juli wartet er in einem Militärgefängnis nahe Washington auf seinen Prozess. Wird er in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen, drohen ihm bis zu 52 Jahre Gefängnis. (Frank Herrmann aus Washington, STANDARD-Printausgabe, 1. Dezember 2010)