Agnes lebt im kleinen Dorf Malambo in Malawi. Ihr Mann starb vor zwei Jahren an Aids, auch sie ist infiziert. Mittlerweile kann sie aber offen darüber sprechen, das Thema wird enttabuisiert

Foto: STANDARD/Gordero

Francis, Helfer in der Buschambulanz

Foto: STANDARD/Gordero

Das Dorf Malambo zählt ein paar hundert Einwohner - kommt darauf an, wen man fragt. Francis schätzt 2000. In fünf Jahren könnte sein Heimatort eine Stadt sein, meint der gertenschlanke 24-Jährige. Er ist dort, im Hinterland des südostafrikanischen Staats Malawi, geboren. Auf der roten Erde im Bezirk Nchisi hat er zwischen den strohbedeckten Lehmhütten seine ersten Schritte gemacht, in Volksschule auf der Hügelkuppe lesen und schreiben gelernt und zuletzt im Internat als Lehrer gearbeitet.

Seit zwei Monaten arbeitet der junge Mann in der vor knapp sechs Monaten eröffneten Buschambulanz des Orts. Finanziert hat das Gebäude samt Mitarbeiterhäusern der Rotary Club Dornbirn, das Land Vorarlberg und die Diözese Feldkirch.

Menschen müssen für die Medikamente selbst bezahlen

Francis arbeitet in dem gelben Gesundheitszentrum am Empfang, registriert ankommende Patienten. Viele marschieren zu Fuß aus dem Nachbardistrikt heran, dutzende Kilometer. Nicht selten, so sagen die Leute, gingen den staatlichen Spitälern die Medikamente aus. Das Arzneilager der Buschambulanz ist gefüllt, die Menschen müssen für die Medikamente aber selbst bezahlen - und viele bringen das Geld nur schwer oder gar nicht auf. 65 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze.

Zu den häufigsten Krankheiten gehören Malaria, Hepatitis A und B, Tuberkulose, Cholera und Aids. Knapp zwölf Prozent der Menschen in Malawi sind mit dem HI-Virus infiziert, damit gehört es zu den Ländern mit der höchsten Ansteckungsrate in Afrika.

Nonnen des St. Theresien-Ordens

Bislang betreuen und beraten zwei Nonnen des St. Theresien-Ordens, der die Ambulanz führt, und eine Krankenschwester die Patienten in Malambo. Arzt gibt es keinen - in Malawi kommt auf 90.000 Menschen ein Doktor. Eine der Mitarbeiterinnen soll in Zukunft in dem kleinen Hospital im Hinterland HIV-Tests durchführen und Infizierte betreuen. Die Ausbildung dazu hat sie absolviert, ein Zimmer ist eingerichtet. Die fünfköpfige Mannschaft wartet seit einem Monat auf die nötige Regierungsbewilligung zur Betreuung HIV-Infizierter.

Bis auf eine Uni geschafft

Viele Kinder hat Aids zu Waisen gemacht, in ganz Afrika sollen es mehr als zehn Millionen sein. Devota ist Ordensschwester der Rosary Sisters, die in dem weiter nördlich gelegenen Ort Katete ein Waisenhaus betreiben. Die Kinder, die dort aufwachsen, haben es schwer, in der Gesellschaft ihren Platz zu finden, sagt sie. Doch dann hellt sich ihr Blick durch die schwarze Brille auf: Devota erzählt von Oliva, die Krankenschwester geworden ist und von der Mechanikerin Towela oder von Asteria, die es mit ihrer Leistung bis auf eine Uni geschafft hat. "Sie machen uns sehr stolz."

Die meisten der 52 Mädchen, die in dem Heim leben, sind Aidswaisen. Etwa drei von vier Todesfällen in Malawi gehen auf Aids zurück. Im Schlafsaal der Elternlosen reiht sich ein Metallbett an das nächste. "Aids ist ein Faktum - you have to face it", sagt Devota. Über Kondome könnten die Nonnen dennoch nicht sprechen. "Aber darüber wird in der Schule gelehrt", sagt sie. Auch in den von Orden betriebenen Schulen? Devota nickt.

Großes Tabu

HIV war in Afrika lange Zeit ein großes Tabu. Francis ist der Meinung, dass die Menschen seines Heimatdorfes inzwischen offener mit dem Thema umgehen. Ein Beispiel dafür ist Agnes. Die 32-Jährige hat ihren Mann, den Vater ihrer drei Kinder, im Juli 2008 an Aids verloren. Sie selbst ist auch infiziert - und sagt es ganz offen. Und sie ist bei weitem nicht die einzige Aidswitwe im Dorf, die sich nun mit kleinen Jobs notdürftig über Wasser hält.

Möglicherweise wird Francis in der Buschklinik von Malambo eines Tages Patienten betreuen und dabei auch über Kondome sprechen. Im Moment ist er noch ein Hilfsarbeiter, sein Gehalt reicht kaum zum Leben. Doch er strahlt, zeigt seine blitzweißen Zähne. "Vielleicht kann ich auch eines Tages Patienten beraten." (Gudrun Springer aus Malawi, DER STANDARD Printausgabe 1.12.2010)