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Der WEV (Wiener Eislaufverein) holt sich gegen den Berliner Schlittschuhclub den deutschen Meistertitel.

Foto: Archiv des ÖEHV

Auch in den finstersten Jahren der österreichischen Geschichte wurde hierzulande Eishockey gespielt. Zwei Wiener Klubs holten die deutsche Meister­schaft, sieben Österreicher repräsentierten die Auswahl des nationalsozialistischen Deutschland...

Verglichen mit anderen europäischen Ländern erst recht spät wurde in Österreich Anfang der 1920er-Jahre der Wechsel vom Bandy zum Eishockey der kanadischen Ausprägung vollzogen (siehe "Gebogene Haselnussprügel und Korkbälle"). Eine Internationalisierung des Eishockeys in der noch jungen Republik wurde zu dieser Zeit von Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges gebremst: Mit Frankreich und Belgien erwirkten zwei der vier Gründungsmitglieder des Weltverbands den Ausschluss der Kriegsverlierer Österreich, Deutschland und Ungarn aus der Föderation. Erst zur Saison 1923/24 wurde Österreich wieder in die IIHF (damals noch LIHG) aufgenommen, internationale Begegnungen bestritten zunächst jedoch vornehmlich die Vereinsmannschaften, nicht das Nationalteam.

Doppelter Europameister
Als erstes offizielles Länderspiel der rot-weiß-roten Eishockeygeschichte ist somit erst das Auftaktspiel bei der Europameisterschaft 1925 gegen die Gastgeber der ČSR zu sehen, das mit 0:3 verloren ging. Zwei Jahre später holte sich Österreich in Wien seinen ersten Europameistertitel, wobei anzumerken ist, dass skandinavische Nationen diesem Turnier ebenso fernblieben wie die überhaupt erst ab 1954 an internationalen Turnieren teilnehmende Sowjetunion. Das von zunehmenden sozialen Spannungen geprägte Österreich konnte seinen Europameistertitel 1931 in Polen wiederholen, als man als WM-Dritter hinter Kanada und den USA als bestes Team des "alten Kontinents" automatisch EM-Gold zugesprochen bekam.
Spätestens im darauffolgenden Winter wurden die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise auch im österreichischen Eishockey sichtbar, für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Lake Placid (USA) fehlte dem Verband das Geld. Gleichzeitig verzeichneten auch die Klubmannschaften immer weniger Zulauf, da sich Jugendliche zu dieser Zeit mehrheitlich weder Schlittschuhe noch Schläger leisten konnten.

Austrofaschismus und "Versöhnungsspiel"
Die radikalen gesellschaftlichen Umwälzungen, die (vorerst) in der Errichtung des austrofaschistischen Systems mündeten, beschränkten in den Folgejahren auch den österreichischen Sport und damit das Eishockey. Die Verbandstätigkeit wurde durch die "Turn- und Sportfront" beschränkt, abgesehen von den Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaften sowie den Olympischen Spielen im nationalsozialistischen Deutschland 1936 wurden zwischen 1934 und dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges lediglich sechs Länderspiele ausgetragen - alle jeweils gegen kanadische Auswahlteams und unter der rot-weiß-roten Flagge mit Kruckenkreuz.

Am 15. Feber 1938 bestritt das österreichische Nationalteam bei der WM in Prag sein letztes offizielles Länderspiel, keinen Monat später ging der Ständestaat in Hitlers Reich auf. Ähnlich dem von der nationalsozialistischen Propaganda initiierten "Anschlussspiel" zwischen der nunmehrigen "Ostmark" und dem "Altreich" im Fußball kreuzten im Frühjahr 1938 in Wien auch die Eishockey-Nationalteams Deutschlands und des nicht mehr existierenden Österreichs die Schläger. Ganz im Sinne des inszenierten "Verbrüderungskampfes" trennte man sich 2:2 unentschieden.

Wiener Klubs holen deutsche Meisterschaft
Wie im Fußball wurden die stärksten österreichischen Spieler auch im Eishockey rasch nach dem "Anschluss" ins deutsche Nationalteam eingebunden. Knapp sieben Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs standen bei der Weltmeisterschaft 1939 in der Schweiz vier Cracks, die zuvor in insgesamt 153 Länderspielen das österreichische Trikot getragen hatten, im deutschen Aufgebot.
Der Assimilationsprozess wurde durch die Erfolge von Klubmannschaften aus der "Ostmark" beschleunigt: Nachdem sowohl 1939 (EK Engelmann) als auch 1940 (Wiener EV) ein Team aus Wien den deutschen Meistertitel erringen konnte, wurden die stärksten österreichischen Spieler kurzerhand zu Vereinen ins "Altreich" versetzt. Oskar Nowak zu Rot-Weiß Berlin, Friedrich Demmer und Walter Feistritzer zum Mannheimer ERC. Die drei, die schon seit der WM 1939 den Paradesturm des deutschen Nationalteams bildeten, erreichten 1943 mit ihren Klubs das Finale um die deutsche Meisterschaft - allerdings kampflos, da die jeweiligen Halbfinalgegner Wien und Riessersee kriegsbedingt keine Mannschaft mehr stellen konnten. Doch auch das Endspiel fiel dem mörderischen Treiben am Kontinent zum Opfer und wurde, nachdem Propagandaminister Goebbels am Tag zuvor den "Totalen Krieg" ausrief, abgesagt.

Schon zwei Monate früher, am 19.Dezember 1942, bestritt die deutsche Nationalmannschaft ihr letztes Länderspiel der nationalsozialistischen Periode. Vor den Toren Wiens, in Bratislava, wurde die Slowakei mit 10:2 besiegt. Wie bei jedem(!) der 20 vorherigen Spiele des deutschen Teams seit dem "Anschluss" Österreichs standen mit Oskar Nowak und Walter Feistritzer auch in dieser Partie gebürtige Österreicher im deutschen Aufgebot.

Sieben Spieler, 67 Länderspiele
Zwischen Feber 1939 und Dezember 1942 trugen sieben ehemalige österreichische Nationalspieler in insgesamt 67 Länderspieleinsätzen das Trikot des nationalsozialistischen Deutschlands. Während Torhüter Josef Wurm sowie Johann Schneider und Hans Ertl jeweils zwei Mal unter der Hakenkreuzflagge aufliefen, bildeten die genannten Oskar Nowak (15 Spiele/8 Tore) und Walter Feistritzer (20/10) gemeinsam mit Friedrich Demmer (19/8) den Stamm des deutschen Teams. Außerdem absolvierte auch Franz Csöngei sieben Einsätze für die Eishockey-Mannschaft des Deutschen Reichs.

Bemerkenswert ist, dass mit Ausnahme von Hans Ertl alle diese Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg wieder für Österreich aufliefen. So auch bei der ersten WM-Teilnahme nach dem Krieg 1947 in Prag, wo das rot-weiß-rote Team im letzten Spiel Schweden sensationell mit 2:1 besiegen konnte und die Gastgeber der ČSR somit zum Weltmeister machte. Die Freude über den ersten WM-Titel und der Dank für die österreichische Hilfe auf dem Weg dorthin waren in der Tschechoslowakei so groß, dass das Radio zu Spendenaktionen für das vom Krieg zerstörte Nachbarland aufrief. (derStandard.at, 30. November 2010)