Edith Blaschitz forscht zu Medien und Öffentlichkeit.

Foto: A. Müller/DUK

Manchmal musste sie lauthals lachen, gesteht Edith Blaschitz, während sie für ihre Studie zum "Kampf gegen Schmutz und Schund" zwischen 1946 und 1970 recherchierte. "Die deutschsprachige Medienforschung der Nachkriegszeit versuchte den Mythos zu verwissenschaftlichen, dass man, wenn man ins Kino geht, als Verbrecher oder Prostituierte wieder herauskommt", erzählt die Historikerin und Medienforscherin an der Donau-Universität Krems. "Das hat aus heutiger Sicht schon eine gewisse Komik."

Das Lachen blieb ihr aber immer wieder im Hals stecken, angesichts der Aggressivität, mit der dieser Kampf geführt wurde. "Österreichs Untergang: Nicht Kriegsverluste, nicht Krebs, nicht Tuberkulose, sondern Volksseuche Unsittlichkeit" stand auf Plakaten der Katholischen Jugend, die für die Absetzung von Filmen demonstrierte, die sie als moralisch verderblich einordnete.

Der Bezeichnung von Romanheften und Illustrierten als "Schmutz und Schund" kursierte bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Jedoch erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg brach der Kampf gegen "minderwertige" Medien, insbesondere gegen populäre Unterhaltungsfilme, mit voller Härte aus. Die Debatte dominierte Medien und Öffentlichkeit, Mitte der 1950er-Jahre unterschrieben eine Million Österreicher eine Petition gegen "Schmutz und Schund".

"Heute ist das Thema völlig aus dem öffentlichen Erinnerungskanon verschwunden", sagt Edith Blaschitz. Grund genug, dem Phänomen auf die Spur zu kommen. In ihrer kürzlich fertiggestellten Dissertation an der Uni Wien zeichnet sie die vielschichtigen Ursachen nach, die sich in der Nachkriegszeit zu einer vehementen Abwehr gegen die aufkeimende Populärkultur verbanden.

"Der Kampf gegen Schmutz und Schund hat erheblich zur Identitätsfindung im Österreich nach 1945 beigetragen", schildert Blaschitz. "Darauf konnten sich alle Parteien einigen, von den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ bis zu den Kommunisten." Besonders die amerikanischen Films noirs, die im Schlepptau der ungeliebten Besatzer in die Kinos kamen, boten eine Angriffsfläche: "Die unklare Abgrenzung von Gut und Böse, die Tatsache, dass gewöhnliche Menschen zu Verbrechern werden konnten, war besonders mit Blick auf die NS-Zeit nicht erwünscht." Dazu kam die bildungsbürgerliche Ablehnung der modernen Jugendkultur - die letztlich zur Leitkultur wurde und die Schmutz-und-Schund-Debatte in den 1960ern im Sand verlaufen ließ. "Die gleichen Argumente werden aber noch heute verwendet, wenn es um populäre Medien wie Computerspiele und Internet geht", betont Blaschitz.

Bevor sie sich dieser Facette der Nachkriegszeit widmete, beschäftigte sich die gebürtige Kärntnerin intensiv mit der NS-Zeit. So erforschte sie Biografien und Fälle von "Arisierung" für die österreichische wie für die argentinische Historikerkommission. Der Umzug von Wien ins Waldviertel bot dann die Gelegenheit zum Wechsel an die Donau-Uni Krems, wo sie seit 2008 den Fachbereich mediengestütztes und individualisiertes Lernen am Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien leitet.

Dabei geht es nach wie vor um die Schnittstellen zwischen Medien, Bildung und Gesellschaft, sagt Blaschitz - die noch immer mit Vorliebe Schundfilme sieht. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, Printausgabe 01.12.2010)