Wien - Die juristischen Streitigkeiten nach dem Dreh einer ORF-"Am Schauplatz"-Folge mit jugendlichen Skinheads beschäftigen am 16. Dezember auch den Obersten Gerichtshof (OGH). In einer öffentlichen Verhandlung wird sich der OGH anlässlich der von der Generalprokurator eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Beschlagnahmung von nicht gesendetem Material, wie dies von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gefordert und vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) bestätigt wurde, rechtens ist. Der ORF weigerte sich mit Verweis auf das Redaktionsgeheimnis bisher, Bänder herauszugeben.

Dabei wird sich der OGH offenbar nicht nur mit der Frage beschäftigen, ob ein Formalfehler vorliegt (zwei Verwandte hatten den Akt unterschrieben), sondern sich auch damit auseinandersetzen, ob die Strafverfolger tatsächlich auf die Herausgabe nicht gesendeten Rohmaterials pochen dürfen. "Inhaltlich geht es vor allem um die Reichweite des Redaktionsgeheimnisses nach Art 10 EMRK und § 31 MedienG", heißt es in einer Pressemitteilung, die am Dienstag verschickt wurde.

Formalfehler

Formal ist der Rechtsweg mit dem Spruch des Oberlandesgerichtes in der Causa ausgeschöpft, nachdem der ORF aber Formalfehler ins Treffen geführt hatte, kam die Generalprokuratur bei einer Prüfung des Verfahrens zu dem Schluss, dass ein solcher tatsächlich vorliegt. Dem zuständigen Drei-Richter-Senat des OLG hatte nämlich eine Richterin angehört, die die Schwester der Ersten Oberstaatsanwältin der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, ist, womit von Rechts wegen die Befangenheit der OLG-Richterin anzuzeigen gewesen wäre.

Dass sich der OGH nun auch mit der grundsätzlichen Frage der Pressefreiheit in dem Fall beschäftigen will, wird mit Spannung erwartet. Denn die juristischen Vorgänge nach dem Dreh einer Begegnung zweier Protagonisten mit FPÖ-Chef Heinz Christian Strache am 12. März hatten für zahlreiche Kontroversen gesorgt.

Kontroversen

Strache hatte dem "Am Schauplatz"-Reporter Ed Moschitz vorgeworfen, die beiden Burschen zur Wiederbetätigung angestiftet zu haben. Nachdem auf dem Originalband dieser Begegnung keinerlei behauptete Parolen zu hören waren, forderte die Staatsanwaltschaft sämtliche andere Bänder des wochenlangen Drehs heraus. So wird etwa eine Begebenheit gesucht, in der einer der beiden im Innenhof eines Wohnbaus vor laufender Kamera nach Ansicht des Gerichts "seiner Gesinnung Ausdruck verleihen" wollte.

Für Aufregung sorgte am Rande die aktenkundige Begründung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, die dem preisgekrönten "Am Schauplatz"-Team offenbar unterstellt, eine Art Propagandafilm statt einer Sozialreportage geplant zu haben. So wird die notwendige Materialbeschlagnahmung damit begründet, dass davon ausgegangen werden müsse, dass sich auf den sicherzustellenden Aufnahmen "vom ORF-Produktionsteam (wenn auch vorgeblich zum Zwecke kritischer Berichterstattung) mitverursachte und -hergestellte Bild- und Tonaufnahmen mit NS-propagandistischen Inhalten befinden". (APA)