"Unternehmer mit Migrationshintergrund haben es gelernt in einem herausfordernden und ihnen fremden Umfeld Geschäfte zu machen - einige von ihnen sind dabei sogar sehr erfolgreich."

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Die erste Hälfte seines Lebens hat Çağlayan Çalışkan in der Türkei verbracht. Seit über 20 Jahren lebt und arbeitet er in Wien. Er berät Unternehmen und Projekte in Sachen interkulturelle Kompetenz und begleitet österreichische Unternehmen bei der Erschließung des türkischen Marktes. Mit daStandard sprach er über migrantisches Unternehmertum und kulturelle Eigenheiten.

daStandard.at: Herr Çalışkan, gibt es aus Ihrer Sicht genug Beratungsangebote, die für Unternehmer mit Migrationshintergrund zugeschnitten sind?

Çalışkan: Ja, ich denke schon. Es gibt mittlerweile ausreichend Beratung in allen Bereichen, auch seitens der Interessenvertretungen. Wobei ich nicht glaube, dass die Beratung für migrantische Unternehmer immer besonders speziell sein muss. Was ich allerdings sehr schätze, ist das Projekt "Mentoring für MigrantInnen" der WKÖ. Hier bekommen Neuankömmlinge Unterstützung von erfahrenen Unternehmern oder führenden Angestellten. Für die geschäftliche Integration bzw. den Einstieg ins Berufsleben ist das sehr hilfreich.

Was können heimische Unternehmer von Unternehmern mit Migrationshintergrund lernen und umgekehrt?

Çalışkan: Unternehmer mit Migrationshintergrund haben es gelernt in einem herausfordernden und ihnen fremden Umfeld Geschäfte zu machen - einige von ihnen sind dabei sogar sehr erfolgreich. Das ist gewiss ein Plus für unsere gesamte geschäftliche Tätigkeit in Österreich. Der gegenseitige Austausch kann für beide Seiten sehr fruchtbar sein.

Welche Erfahrungen gibt es hinsichtlich der Kreditvergabepraxis seitens der Banken: Haben es Unternehmer mit Migrationshintergrund schwerer an Kredite zu kommen oder nicht?

Çalışkan: Ich habe keine Fakten in der Hand, keine Zahlen, die es nachweisen würden, dass der Migrationshintergrund Nachteile bringt. Genauso ist es mit der Diskriminierung der Arbeitnehmer. Es wurden noch keine Daten dazu erhoben, ob eine Bewerbung auf Grund der Herkunft des Bewerbers nicht berücksichtigt wird - das nachzuweisen ist sehr schwer.

Sie arbeiten auch als interkultureller Berater. Was kann man sich darunter vorstellen?

Çalışkan: Wir sind interkulturelle Übersetzer. Wir sorgen dafür, dass es weniger Missverständnisse gibt. Wir helfen dabei mit Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen erfolgreich zu kommunizieren. Wenn ein Unternehmen beispielweise seine Dienstleistungen einer Migrantengruppe anbieten möchte, braucht es Detailkenntnisse und zwar nicht nur "hard facts" sondern auch Kenntnisse über Wertvorstellungen und Kommunikationsmuster. Außerdem geht es darum die Ressourcen, die man aus dem eigenen Kulturkreis mitbringt, auch in einem fremden Land erfolgreich zu nutzen.

Wenn sie österreichischen Unternehmer beraten, die in die Türkei expandieren, welchen ersten Tipp geben Sie ihnen?

Çalışkan: In jeder Branche ist es ein wenig unterschiedlich, aber eigentlich gibt es einen wichtigen Moment, der überall gleich ist: In der Türkei kommt die Beziehung immer vor der Sache. Bevor man verhandelt oder präsentiert, muss man eine Beziehung mit seinem Gegenüber herstellen. Man erzählt sich ein wenig über die Familie, ob man zum Beispiel Kinder hat oder nicht - man wird also ein wenig "persönlicher". Ich muss aber sagen, dass die Österreicher in diesem Punkt ganz geübt sind. Sie kommen mit den Kulturen im Westen aber auch mit jenen im Süden und Osten ganz gut zu recht.

Gehen die österreichischen Unternehmen derzeit gerne in die Türkei?

Çalışkan: Es gibt einige, die seit Jahrzehnten in der Türkei sehr erfolgreich sind. In den letzten Jahren nimmt dieser Trend immer mehr zu. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren war für österreichische Unternehmen Südosteuropa das Hauptziel. Im nächsten Jahrzehnt ist das, meiner Einschätzung nach, der türkische Markt.

In den letzten paar Wochen scheint die Beziehung zwischen den Türken, die in Österreich leben und den autochthonen Österreichern ein wenig angespannt. Bemerkt man das auch in der Geschäftswelt?

Çalışkan: Ich persönlich nehme in der geschäftlichen Sphäre keine Spannungen wahr. Mein Eindruck ist, dass die Diskussionen der letzten drei Wochen sehr emotional geführt wurden, aber auf die österreichisch-türkischen Business-Beziehungen haben diese politischen Debatten keinen Einfluss - noch nicht.