Pröll und Pröll am 19. November: Statt der großen Staatsreformen gab es Machtsspiele um die Schulen - zum Lachen fanden das nur der Onkel und sein Neffe.

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Standard: Ist Ihr Neffe, politisch gesehen, nach Ihnen geraten?

Pröll: Ein paar Gene wird er aus der Familie schon mitbekommen haben. Josef Pröll ist geradlinig, arbeitet zielorientiert und hat einen starken Zug zum Tor - das hat er mit mir gemein, würde ich glauben. Im Wesentlichen sind wir ziemlich ähnlich geraten, wir sind ja auch im selben Weinbauernhof in Radlbrunn aufgewachsen, dem Haus meines Bruders. Schon als Kind war der Sepp ein aufmerksamer Zuhörer, wenn es um Politik ging. Dieses Interesse war von klein auf auffällig.

Standard: Lag seine politische Karriere also auf der Hand?

Pröll: Letztlich war es doch überraschend. Sein Weg begann ja in der Landwirtschaftskammer - wenn man dort gut ist und keine silbernen Löffeln stiehlt, ist der Job bombensicher. Mein Neffe hat über den Bauernbund dann aber doch das unsichere Terrain der Politik gewählt. Das war eine ordentliche Portion Risiko, zumal er gerade eine Familie gegründet hatte.

Standard: Haben Sie geholfen?

Pröll: Nein, überhaupt nicht, das war auch nicht notwendig. Sepp Pröll ist dank seiner Talente immer auf eigenen Beinen gestanden. Er hat eine tolle Überzeugungskraft, eine rasche Auffassungsgabe und ein hohes Gespür für Kompromisse.

Standard: Es heißt, Ihr Verhältnis sei zerrüttet - etwa weil Sie gegen seinen Willen erwogen hätten, als Bundespräsident zu kandidieren.

Pröll: Da ist bei manchen der Wunsch der Vater des Gedankens. Noch bevor Sepp Pröll ÖVP-Chef wurde, ist man von einigen Seiten - auch von höchster Stelle innerhalb der SPÖ - an mich herangetreten, ob ich nicht kandidieren wolle. Mein Neffe hat versichert, dass mich die Gesamtpartei unterstützen würde, er hat mich in keiner Weise gedrängt. Unsere Auseinandersetzungen bewegen sich innerhalb der Normalität der politischen Arbeit. Familiär hat sich zwischen uns über Jahrzehnte nichts geändert. Das erkennen Sie daran, dass ich sowohl sein Firmpate als auch Trauzeuge bin.

Standard: Es heißt, Sie hätten sogar Auftritte mit ihm vermieden.

Pröll: Das wäre angesichts unserer Funktionen gar nicht möglich. Erst unlängst bin ich mit ihm und den anderen ÖVP-Landeshauptleuten aufgetreten ...

Standard: ... und haben ihn in die Bredouille gebracht. Es wirkt, als habe der Vizekanzler alle Reformpläne geopfert, weil Sie mehr Macht an den Schulen fordern.

Pröll: Das ist eine Fehlinterpretation, ich habe den Vizekanzler zu nichts genötigt. In dieser Frage der Bildungspolitik ist die Linie der Bundes-ÖVP mit jener der ÖVP-Landeshauptleute und der meinen ident: Was gelehrt wird, entscheidet die Bundesregierung - damit ist auch der Stumpfsinn widerlegt, dass die Länder neun verschiedene Schulsysteme wollten. Wo gelehrt wird, entscheiden aber die Länder - und das aus guten Gründen. Ich zeige Ihnen gerne das Gymnasium St. Pölten, für das der Bund zuständig ist. Dort herrschen rumänische Zustände.

Standard: Sollte nicht der bestimmen, der zahlt - also der Bund?

Pröll: Zahlen tut nur einer: der Steuerzahler. Ich scheue mich nicht davor, selbst Steuern einzuheben, wenn der Bund auf Einhebungsrechte verzichtet. Aber der Bund hat mir schon vor Jahren zweimal vermasselt, dies zu tun.

Standard: Sie sollen einmal gesagt haben, Ihr Neffe sei zu weich.

Pröll: Das ist er nicht. Als Finanzminister hat er auf konsequente Weise dafür gesorgt, dass Österreich die internationalen Turbulenzen halbwegs überwunden hat. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 30.11.2010)