Die Finanzierung eines Rollstuhls kann zum Hindernislauf werden, wenn sich die Krankenkasse aus Spargründen hinter Paragrafen verschanzt.

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Bregenz - Auf die Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes werden Menschen mit Behinderung noch zehn Jahre warten müssen. Gebäude und Verkehrsmittel ohne Hindernisse sind Teil des Sparpakets, die notwendigen Maßnahmen wurden auf 2020 verschoben. Menschen, die auf technische Hilfsmittel zur Fortbewegung angewiesen sind, müssen nicht nur im öffentlichen Raum Barrieren überwinden. Zum Hindernislauf kann auch die Finanzierung der Hilfsmittel werden.

"Wenn man ein Kind mit Behinderung hat, muss man betteln und herumstreiten", sagt Sandra Scheidbach, Mutter eines Kindes mit Mehrfachbehinderung. Eine Cerebralparese verhindert, dass die vierjährige Lina ihren Körper kontrolliert bewegen kann. Die Hörwahrnehmung ist nur dank eines Cochlea-Implantats möglich. Das Mädchen kann sich nicht verbal mitteilen, macht gerade erste Versuche mit Gebärdensprache und Sprachcomputer, über den sie Bedürfnisse äußern könnte.

"Zweitversorgung"

Vom eigenen Sprachcomputer, der über 7000 Euro kostet, können Lina und ihre Eltern im Moment nur träumen. Vorrang hatte die Anschaffung eines Rollstuhls (ebenfalls um die 7000 Euro), der Lina die Integration im Kindergarten des Hörgeschädigtenzentrums erleichtern soll. Eine Übernahme der Kosten des Rollstuhls verweigerte die Gebietskrankenkasse bislang mit der Begründung, es handle sich um eine "Zweitversorgung", man habe für Lina bereits einen Kinderwagen finanziert. "Ein Kinderwagen ist kein Rollstuhl", argumentierte die Mutter und ging zur Ombudsstelle. VGKK-Ombudsmann Robert Henny will die Causa erneut prüfen lassen, aber grundsätzlich gelte: Es gibt keine Zweitversorgung, die Versorgung muss "ausreichend und zweckmäßig" sein.

"Wenn das Geld knapp wird, beschränkt man sich auf die satzungsmäßigen Leistungen, das zieht sich durch die ganze Soziallandschaft", beobachtet Peter Ammann, Landesstellenleiter des Bundessozialamts. Es werde schwieriger, zu Leistungen zu kommen, weil "genau gefiltert" wird. Simon Weber, der die gemeinnützige Hilfsmittelberatungsstelle UVAT betreut, möchte weder Kassen noch Ämtern "Taktik unterstellen", aber: "Es wird öfter nachgefragt, Begründungen der Ärzte werden hinterfragt, da vergeht dann mehr Zeit bis zur Erledigung eines Antrags." Bezahlt die Kasse nicht, weil die "Treffsicherheit" nicht gegeben ist, springen Unterstützungsfonds ein. Für die Fonds von GKK, Land, Bundessozialamt gilt: Antrag stellen und warten. (Jutta Berger/DER STANDARD-Printausgabe, 30.11.2010)