"Krone" -Leserbriefschreiber machten sich Luft gegenüber den SP-EU-Parlamentariern Hannes Swoboda, Jörg Leichtfried und Karin Kadenbach (im Hintergrund, v. li.).

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Die Gäste sind schnell bei der Sache: "Die Abgeordneten in der EU haben ein Gehalt, das in keinem Verhältnis steht." - "So kann es nicht weitergehen." - "Uns wird gesagt, wir können mitgestalten: Alles Lüge!" - "Die Türken sind aggressiv. Da gehört mit eiserner Faust durchgegriffen." - "Die Osterweiterung öffnet Tür und Tor für jeden Saustall."

Sollte es jemals Zweifel gegeben haben, ob es den ominösen Krone-Leserbriefschreiber tatsächlich gibt, so wurden sie Montag im Haus der Europäischen Union ausgeräumt: 16 von ihnen sitzen im Sitzungszimmer am runden Tisch. Die meisten von ihnen, zu einem Gutteil 60 plus, haben Spickzettel vor sich liegen, die bei einigen mehrere Seiten umfassen.

"In ein Lager" schicken

Sie kommen aus ganz Österreich. Anlass: Die SP-Europabgeordneten Jörg Leichtfried, Hannes Swoboda, Evelyn Regner und Karin Kadenbach kontaktierten EU-skeptische Krone-Leserbriefschreiber und baten sie zum Meinungsaustausch: "Vor allem mit seinen Kritikern muss man diskutieren, um sie vielleicht so weit zu bringen, das berühmte Stück des Weges zu gehen" , eröffnet Leichtfried frei nach Kreisky.

Die Schwierigkeit, sich zu entscheiden, zeigt sich vorerst im Kleinen: Will man am Tisch bleiben oder, wie vorgesehen, an die Stehtische wechseln, wo sich die Gäste in Kleingruppen mit den EU-Parlamentariern austauschen. "Alle sollen hören, was ich zu sagen habe" , fordert Waltraud Kirchham aus Gmunden. Die Abstimmung bringt ein klares Patt. Also geht man erst raus, dann rein. Gekommen ist auch Maria Fellner von der Christenpartei. "Selbstverständlich" schreibe sie Leserbriefe an die Krone: "Das ist ein Sprachrohr." Die Gastgeber hören geduldig zu, nehmen Fragebögen und Beschwerdelisten mit Titeln wie "Verraten und verkauft" oder "Wenn Unrecht zum Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" . Wo es notwendig ist, wird kalmiert: "Ich will mich nicht mit Ihnen befetzen" , sagt Regner als ein Krone-Leser Asylwerber "in ein Lager" schicken will.

Bei Würstel und Bier bilden sich abseits der Fragerunden Grüppchen. Ist der EU-Austritt eine Alternative? "Kein Austritt, aber wir brauchen eine andere EU, eine Gemeinschaft der Regionen" , sagt Waltraud. Fürs Erste ist sie zufrieden: "Den Leichtfried hab ich leicht irritiert." (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 30.11.2010)