Hamburg - Geht es nach dem US-Anthropologen Stanley H. Ambrose, dann fand vor 74.000 Jahren die mit Abstand größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte statt. Damals brach der Supervulkan Toba auf Sumatra aus und soll Millionen Tonnen an Material - unter anderem auch jahrelang stabile Schwefelverbindungen - in die Erdatmosphäre geschleudert haben, sodass es global zu einer drastischen Abkühlung des Klimas kam. Für mehrere Jahre sei die Durchschnittstemperatur um zehn Grad gefallen. Auf die damalige Homo sapiens-Population in Afrika habe sich dies verheerend ausgewirkt: Nur wenige tausend Menschen hätten die Folgen der Katastrophe überlebt, die Folge sei ein "genetischer Flaschenhals" gewesen.

Ambroses Theorie passt dazu, dass alle heute lebenden Menschen genetisch gesehen erstaunlich eng miteinander verwandt sind. Der Schluss daraus: Wir alle stammen von einer relativ kleinen Gruppe von Vorfahren ab, die von Afrika aus die Welt besiedelte. Andere Funde wiederum widersprechen der Theorie. So war Homo sapiens zum Zeitpunkt der Eruption noch nicht die einzige Menschenart. Sowohl die europäischen Neandertaler als auch andere Nachfahren des Homo erectus, die in Indien lebten, überstanden die Katastrophe aber offenbar. Eine kontinuierliche Besiedelung Indiens vor und nach dem Supervulkan-Ausbruch ist belegt - und das, obwohl die dortigen Menschen dem Toba doch viel näher waren als die Bewohner Afrikas.

Abschwächung

Und inzwischen gilt auch der Ausbruch selbst nicht mehr als die Mega-Katastrophe, für die sie gehalten worden war. Kein Zweifel besteht daran, dass die Eruption stattgefunden hat. Doch sollen die Auswirkungen weniger drastisch gewesen sein und schneller abgeklungen haben. Zu diesem Ergebnis kamen beispielsweise der Vulkanologe Stephen Self von der Open University in Milton Keynes und der Paläobiologe Michael Rampino von der New York University. Sie rechneten die Eruption des Pinatubo im Jahr 1991 auf Toba-Dimensionen hoch und kamen zu dem Ergebnis, dass der Supervulkan-Ausbruch nur zur einem Temperaturabfall um drei bis fünf Grad geführt habe. Schlimm, aber verkraftbar.

Forscher um Claudia Timmreck vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg erstellten nun ein neues Klimamodell für die Verhältnisse vor 74.000 Jahren. Mit ihrem Modell kamen sie zu einem ähnlichen Ergebnis wie Self & Rampino: Kurzfristig seien die Temperaturen in Afrika und Indien um zehn Grad gefallen, doch hätten sich die hohen Konzentrationen von Schwefelpartikeln in der Stratosphäre rascher abgebaut als früher gedacht. Schon ein Jahr nach der Eruption seien die globalen Temperaturen nur mehr fünf Grad unter dem vorherigen Schnitt gelegen. Für Flora und Fauna habe es ein paar harte Jahre gegeben, doch waren diese zu überstehen.

Einwände

Ambrose, von dem die Toba-Katastrophen-Theorie stammt, hält das Modell der Hamburger für unzureichend, wie das Wissenschaftsmagazin "Science" berichtete. Ambrose verweist darauf, dass das damalige Weltklima nicht mit dem heutigen identisch gewesen sei: Die Erde habe sich im ständigen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten gerade wieder in einer Phase der starken Abkühlung befunden, die durch die Toba-Eruption verstärkt worden sei und zur schlimmsten und längsten Kältephase geführt habe, die der Mensch je erlebt hat.

"Entwarnung" kann ohnehin nicht gegeben werden, wenn sich der Toba oder auch der Yellowstone-Vulkan erneut regen sollten. Denn die mobilen und verstreut lebenden menschlichen Gesellschaften vor 74.000 Jahren sind mit der vernetzten und auf jede Veränderung hochsensibel reagierenden Welt von heute nicht vergleichbar. Supervulkane, von denen weltweit bislang nur eine Handvoll bekannt ist, werden also auch weiterhin ein beliebter Stoff für Katastrophenthriller bleiben. (red)