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Yoga kann eine gesundheitsfördernde Wirkung haben

Foto: REUTERS/Stringer

Flirrende Hitze, halbnackte, vor Schweiß triefende Körper in Reih und Glied in einem Raum, der für eineinhalb Stunden verschlossen bleibt. Niemand spricht - bis auf Tammy, die hübsche, zierliche Inderin. "And push and push and push", dirigiert sie die Gruppe Yogis, die mit hochrotem Kopf versuchen, ihre Körper in eine halbmondartige Form zu bringen. Kaum zu glauben, dass sich irgendjemand dieser Tortur freiwillig unterzieht. Doch der Andrang auf diese neue Form des Yoga ist enorm. Insbesondere in der westlichen Hemisphäre findet Bikram-Yoga immer mehr Anhänger.

Bikram-Yoga besteht aus einer Serie von 26 Hatha-Yoga-Übungen, die in einem auf bis zu 40 Grad Celsius aufgeheiztem Raum, praktiziert werden. "Durch die Hitze werden sämtliche Giftstoffe aus dem Körper heraus geschwitzt und das Verletzungsrisiko, das bei verschiedenen Dehnungsübungen gegeben ist, reduziert sich auf ein Minimum", erklärt die zertifizierte Bikram-Yogalehrerin und Physiotherapeutin Tammy.

Das Training bei solchen Temperaturen ist jedoch eine Herausforderung, denn das Schwitzen bewirkt hohe Wasser- und Elektrolytverlust. Als Ausgleich, empfiehlt es sich daher im Vorfeld zu trinken und eventuell eine Banane oder einen Apfel zu essen, um dem Körper ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen.

Auf der Suche nach Spiritualität

"Was man sich von Bikram-Yoga jedenfalls nicht erwarten darf, sind spirituelle Erfahrungen", betont Tammy. Das ist mitunter der Grund, warum diese junge Yoga-Form von traditionellen Yoga-Kennern mit Skepsis beäugt wird. Hinter dem Begriff Yoga steckt ein philosophisches Konzept, das als Teil der indischen Lebensphilosophie eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Seele erzeugt. In Europa und den USA hat sich vor allem das körperliche, sogenannte Hatha-Yoga etabliert, bei dem die erwähnte Verbindung mittels physischer Übungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayama) hergestellt wird.

Die dynamische Variante des Hatha-Yoga nennt sich Ashtanga. Hier erfordern die physischen Übungen besonders viel Kraft. Nicht umsonst wird Ashtanga daher auch Power-Yoga genannt. Ein wichtiges Element von Ashtanga ist die Atmung, die hörbar gemacht wird und wie ein regelmäßiges, tiefes Rauschen den gedimmten Raum erfüllt.

Die besondere Atemtechnik ist einer der Gründe, warum die Yogalehrerin Rosi Wagner Ashtanga-Yoga so liebt. "Wenn kleine Kinder oder Hunde hier ins Yogastudio kommen, schlafen sie oft ein, wenn sie das laute Atmen hören", erzählt sie von der beruhigenden Wirkung.

Warum Yoga jedem gut tut

Im Westen praktizieren viele Menschen Yoga, um fit und gesund zu bleiben. Die sanften, Bewegungsabläufe sind schonend für die Gelenke und daher eine gute Alternative zu anderen Kraft- oder Ausdauersportarten. "Yoga ist prinzipiell für jeden gut", ist der Allgemeinmediziner und Osteopath Andreas Goldammer überzeugt. Allerdings müssten die Übungen auf den Einzelnen individuell abgestimmt werden, präzisiert er. Mit seiner Meinung ist Goldammer nicht allein unter den Schulmedizinern. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Yoga, insbesondere der Stressabbau und die Kräftigung der Haltungs- und Stützmuskulatur, sind mittlerweile weitgehend unbestritten. 

Durch die Konzentration auf die Atmung kann Yoga auch Asthmatikern helfen. "Vor allem bei leichten Formen von Asthma kann die bei Yoga erlernte Atemtechnik eine deutliche Verbesserung bewirken", weiß der Yoga-erfahrene Sportorthopäde Karl-Heinz Kristen. In einigen Bereichen ist der therapeutische Nutzen von Yoga laut Goldammer durch Studien nachgewiesen. "Yoga als Konzept ist heilsam", sagt er und relativiert gleichzeitig: Wunder-Asanas, die heilen gibt es aber nicht".

Aufpassen bei Schwitz-Yoga

Skeptisch ist Goldammer bei den gesundheitlichen Folgen von Bikram-Yoga. Er selbst hat das Schwitz-Yoga schon ausprobiert, konnte dem Konzept jedoch nicht viel abgewinnen. "Eigentlich sollte man unmittelbar nach einer Yogaeinheit erfrischt sein, und dieser Eindruck hat sich hier nicht bestätigt", erzählt er. "Bikram-Yoga ist eine Herausforderung für das Herz-Kreislauf-System. Für Menschen mit Kreislauferkrankungen ist es daher nicht unbedingt förderlich", so Goldammer.

Zwar könne sich der Körper an Hitze gewöhnen, was aber nicht gleichzeitig bedeutet, dass die körperliche Aktivität bei hoher Temperatur auch gesund sei. Menschen mit Bluthochdruck oder Herzproblemen empfiehlt er sanftere Yoga-Varianten und auch Migränepatienten rät Goldammer wegen Provokationsgefahr von Migräneattacken vom Bikram-Yoga ab.

Bei anderen Erkrankungen kann man mit Bikram-Yoga jedoch durchaus positive Effekte erzeugen. "Für Arthrose-Patienten kann Bikram-Yoga gut sein, weil die Muskulatur dadurch weich wird und die Arthrose-Stoffe besser abtransportiert werden", schildert der Orthopäde und Rheumatologe Ronald Dorotka und empfiehlt bei Schmerzen im Bewegungsapparat aber immer eine Untersuchung im Vorfeld. Bei rheumatischen Erkrankungen bezweifelt Dorotka eine heilende Wirkung von Bikram-Yoga: "Die Hitze ist eher kontraproduktiv."

Wer Yoga betreiben will, sollte seinen Lehrer jedenfalls über etwaige gesundheitliche Probleme informieren. "Yoga muss sich immer dem Praktizierenden anpassen", findet Goldammer. Dafür muss ein kompetenter Yogalehrer sorgen. Und wer sich nicht für die eine oder andere Form von Yoga entscheiden will, muss das auch nicht. Schwitzen in Bikram, entspannen in Hatha und Kraft tanken in Ashtanga - Auch die Kombination kann Erholung für Körper und Geist bringen. (Stephanie Dirnbacher, derStandard.at, 01.12.2010)