Lehmerde in Tansania

Foto: Ruth Kutalek

Lehmerde aus dem Senegal

Foto: Armin Prinz
Foto: Armin Prinz

In Afrika wird Erde besonders von schwangeren oder stillenden Frauen konsumiert, wie auch von Kindern. Verschiedene Studien belegen, dass zwischen 46 und 73 Prozent der schwangeren oder stillenden Frauen regelmäßig Lehm konsumieren. Die Unit Ethnomedizin und International Health an der MedUni Wien beschäftigt sich intensiv mit dem Thema.

Gegen Übelkeit in der Schwangerschaft konsumiert

Die konsumierte Menge Erde reiche von einem bis hundert Gramm täglich, so Ruth Kutalek vom Zentrum für Public Health. Die Lehmerde wird meist getrocknet oder gebrannt, manchmal in zylindrische Formen gebracht oder mit Salz oder Heilpflanzen vermengt. Es gibt verschiedene Hypothesen, warum Geophagie praktiziert wird: die Lehmerde soll gegen Schwangerschaftsübelkeit wirken, oder sie könnte Lieferant wichtiger Spurenelemente (besonders Eisen) sein und Nahrungsmittel entgiften, meinen die Forscher. Bestimmte Lehmarten werden auch in westlichen pharmazeutischen Zubereitungen verwendet, etwa um Gastroenteritis zu behandeln.

Forschung unterrepräsentiert

Dieses Phänomen ist, obwohl weit verbreitet, nur relativ wenig dokumentiert. Das mag daran liegen, dass benachteiligte Länder (Entwicklungsländer) oft weniger von der Forschung beachtet werden und dass Forschungen zu frauenspezifischen Themen immer noch unterrepräsentiert sind, meint Kutalek.

Da Geophagie mögliche Risiken für die Gesundheit schwangerer Frauen und Kinder birgt, wurden 88 Proben aus ganz Afrika, sowie aus Europa und den USA gesammelt und auf Verunreinigung mit Bakterien und Pilzen, sowie mit Wurmeiern, und deren Belastung mit Schwermetallen (Blei, Quecksilber und Cadmium) überprüft. Die Ergebnisse wurden von der Unit Ethnomedizin und International Health, Abteilung Allgemein- und Familienmedizin, in Kooperation mit anderen Instituten der Medizinischen Universität Wien, sowie nationalen und internationalen Partnern nun im renommierten Top-Journal "Transactions of the Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene" publiziert. 

Mikrobielle Belastung

Die mikrobielle Belastung mit Bakterien und Pilzen lag teilweise über den zulässigen Werten für Lebensmittel. Besonders hoch aber war die Belastungen mit Blei bei durchschnittlich 40mg/kg und Spitzenwerten bis zu 148mg/kg, die Belastungen mit Quecksilber und Cadmium waren deutlich geringer. Eine Verunreinigung mit Wurmeiern konnte nicht festgestellt werden, was die oft geäußerte These widerlegt, dass Wurmerkrankungen bei Erwachsenen in Afrika durch Geophagie bedingt sein könnten.

Insbesondere die hohen Bleiwerte sind problematisch, weil es sich bei den Konsumentinnen um schwangere und stillende Frauen handelt. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Neugeborenen besteht das Risiko, kritische Mengen zu erreichen. Blei gelangt über die Plazenta in den Fötus und geht in die Muttermilch über. Es ist ein Neurotoxin, das besonders beim Fötus und bei Neugeborenen die Entwicklung und das Wachstum hemmen kann. Andere negative Effekte sind Blutarmut oder Bluthochdruck, die schon bei sehr geringer Bleibelastung entstehen können. Blei wird vom Organismus normalerweise über die Nahrung oder das Einatmen von Staub aufgenommen. Das Ausmaß der Aufnahme (Bioverfügbarkeit) von Blei durch Lehm ist dabei von vielen Faktoren abhängig, etwa der Lehmart, der Korngröße und der Löslichkeit der Bleiverbindung. (red)