Guido Gluschitsch begleitete das Alpen-Team bei der BMW GS-Trophy 2010 in Südafrika. In seinem Tagebuch kann man die knochenharte Tour nacherleben

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Einen Presslufthammer zuzureiten, kann nicht ruppiger sein. Wir prügeln die BMW F 800 GS mit bis zu 160 Stundenkilometer über Schotterpisten. Und Schotterpiste ist eh noch milde gesagt. Aus dem Boden ragen Felsen, denen man mit einem gemäßigten Tempo sicher ausweichen könnte. Aber so, wie wir unserem Ziel entgegenfliegen, haben wir keine Chance.

Foto: Guido Gluschitsch

Ich fahr mit 120 km/h eh noch halbwegs moderat – aber weit über meinen Grenzen. Das Alpen-Team sieht die Sache jedoch locker. Die Schweizer Christoph Muri und Johannes de Ciutiis sind ganz begeistert, und der Wiener BMW-Mechaniker Bernhard Schmidtmayer kriegt das Grinsen sowieso nimmer aus dem Gesicht. Die Drei waren die besten Fahrer aus Österreich und der Schweiz, die bei der GS-Challenge 2010 angetreten sind. Deshalb fahren sie jetzt gegen neun andere Teams um den Titel der GS-Trophy.

Foto: Guido Gluschitsch

Während das Alpen-Team auf dem Schotter nur lacht, haben mir die Potholes auf der Straße schon den Schweiß auf die Stirn getrieben. Ich rede mich zwar darauf aus, dass es die weit über 30 Grad im Schatten sind, die mir die Poren öffnen, in Wirklichkeit ist es aber purer Angstschweiß. Potholes sind Löcher im Asphalt, die so groß sind, dass man locker eine Endurojacke reinlegen könnte, und niemand würde sie sehen. Sie entstehen, weil die Straßen so schlecht gepflegt sind. Bei Regen reißen die Lkws erst kleine Steine aus dem Asphalt – und nach ein paar Jahren sind riesige Löcher im Boden.

Foto: Guido Gluschitsch

Wie in einem Computerspiel versuche ich, erst den Potholes und jetzt den Steinen auszuweichen. Die Schläge, die ich über den Lenker kassiere, sind meine Strafpunkte. Die Hände klammern sich so fest um den Lenker, dass man die weißen Knöchel fast schon durch die Handschuhe leuchten sehen kann. Wenn es ihn mir nur nicht aus der Hand reißt.

Foto: Guido Gluschitsch

Die beiden Schweizer haben ein ganz anderes Problem. Ihr Gepäck liegt noch am Flughafen in Frankfurt – gemeinsam mit dem Zeug von weiteren rund zehn Fahrern. Keine Ahnung, wie BMW es geschafft hat, für alle diese Fahrer noch Kombis, Helme, Zelte und sogar Zahnbürsteln aufzutreiben. Nur bei den Stiefeln mussten sie passen. Deshalb fahren die Jungs mit ihren Turnschuhen. Für die Burschen ist das kein Problem.

Foto: Guido Gluschitsch

Erst am Abend, als wir in der Nähe von Amersfort in einem Enduro-Camp landen, borgen sich die Schweizer Stiefel von anderen Fahrern aus, um die Sonderprüfung fahren zu können.

Foto: Guido Gluschitsch

Das Wetter hat inzwischen umgeschlagen. Es ist kalt, feucht, und irgendwie glaube ich, in Irland zu sein. Saftig grüne Wiesen liegen im Nebel, und Kühe wie Schafe grasen darauf.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir haben aber keine Zeit zum Herumschauen. Die erste Sonderprüfung fordert unsere ganze Konzentration. Ja, unsere. Ich werde das Alpen-Team unterstützen. Zumindest lautet so der Plan. Wir müssen zu fünf Punkten auf dem Endurogelände finden. Dazu bekommen wir die Koordinaten und ein Navigationsgerät. Straßen zu den Punkten gibt es nicht.

Foto: Guido Gluschitsch

Dafür Schlammlöcher, Weidezäune und wieder Löcher im Boden – nur diesmal größer und tiefer, und wer drüberfährt, sitzt unweigerlich drinnen. Tomm Wolf, der oberste der Marschalls, beschreibt die Stolperfallen beim Briefing ganz klar: "Passt auf die Löcher auf. Wenn es ausschaut, als würde ein Hasenohr rausragen, lasst euch nicht täuschen, es ist sicher ein Esel."

Foto: Guido Gluschitsch

Einen Turn vor uns startet das Südafrika-Team und ist in nur 38 Minuten wieder im Ziel. Während der Minute 38 haben wir ganz andere Probleme. Christoph ist in ein Schlammloch gestolpert – die BMW ist bis zum Kotflügel einfach verschwunden. Christoph hat einen echt tollen Abstieg über den Lenker gemacht. Der war so beeindruckend, dass ich mich gleich dazugelegt habe. Von außen betrachtet, hätte man sagen können, ich wäre über das blockierte Vorderrad gestürzt. Stimmt aber gar nicht. Ich habe Diamanten geschürft. Ehrlich.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir ziehen die Schweizer GS aus dem Dreck. Und Bernhard macht sich gleich drauf dran, die Schaltung meiner GS zu reparieren, die beim Sturz auf einen Stein – nein kein Diamant – leider ein wenig gelitten hat. Ein Mechaniker im Team ist unbezahlbar.

Foto: Guido Gluschitsch

Aber es liegt nicht an mir allein, dass wir innerhalb der Stunde nur drei der fünf Ziele finden. Christoph gefällt es anscheinend im Schlamm. Keine 500 Meter nach dem ersten Schlammloch, sitzt er schon im nächsten fest. Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist halt nicht immer der schnellste, sondern manchmal der dreckigste.

Foto: Guido Gluschitsch

Die Südafrikaner gewinnen vor den Deutschen und dem US-Team. Wir belegen leider nur den vorletzten Platz bei der Sonderprüfung. "Hauptsache wir haben die Japaner hinter uns gelassen", meint Johannes, und Christoph versucht den Schlammpackungen eine heilende Wirkung zuzusprechen und beschwört, dass wir am meisten Spaß hatten.

Foto: Guido Gluschitsch

Nur Bernhard ist schon wieder am reparieren. Mit einem Gummihammer drischt er auf seine vordere Felge ein. Die Steine haben ihre Spuren hinterlassen. Aber nicht nur an Bernhards BMW, sondern an jeder einzelnen. Verwunderlich: Kein Schlauch hat aufgegeben. Und inzwischen ist auch das Gepäck der Schweizer gelandet. Schade eigentlich, wenn sich der Christoph eh so über den Schlamm freut, der ihm überall reingeronnen ist.

Foto: Guido Gluschitsch

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Foto: Guido Gluschitsch