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Land unter! Unweit des Tagungsgeländes hat der britische Künstler Jason de Caires Taylor 400 menschliche Skulpturen im Meer versenkt, auf denen sich Korallen und andere Meeresbewohner ansiedeln können.

Foto: APA/EPA/JASON DE CAIRES TAYLOR

London - Um nicht mehr als zwei Grad Celsius soll sich die Erde erwärmen: Auf diesen Minimalkonsens hatten sich die Teilnehmer des weitgehend gescheiterten Klimagipfels von Kopenhagen im Vorjahr geeinigt. Zu Beginn des UN-Klimatreffens im mexikanischen Cancun an diesem Montag ist allerdings fraglicher denn je, ob dieses unverbindliche Minimalziel überhaupt noch erreicht werden kann. Zum einen, weil weiter verbindliche Ziele fehlen. Zum anderen, weil schon die im Kopenhagen-Abkommen beschlossenen, freiwilligen Reduktionen nach Meinung vieler Experten zu einem Temperaturanstieg von 3,5 bis 4 Grad führen würden.

Dabei kann von einer Reduzierung der Emissionen keine Rede sein: Weltweit nimmt der Kohlendioxidausstoß, einer der Hauptursachen für den Klimawandel, weiter zu. Was also, wenn sich die Erde tatsächlich um vier Grad erwärmt, womöglich sogar um mehr? In einer Sonderausgabe der "Philosophical Transactions" der britischen Royal Society zum Klimagipfel in Cancun warnen Forscher vor gravierenden Folgen und appellieren an die Verhandlungspartner, alles zu unternehmen, um einen Anstieg um mehr als zwei Grad zu verhindern:

- Der MEERESSPIEGEL wird bei einer Vier-Grad-Erwärmung um einen halben bis zwei Meter ansteigen, wobei ein Anstieg unter einem Meter unwahrscheinlich sei. Dies könne dazu führen, dass bis zu 187 Millionen Menschen im Verlauf des Jahrhunderts ihre Heimat verlassen müssen, schreiben britische Forscher um Robert Nicholls von der Universität Southampton. Konkrete Zahlen seien aber schwer zu nennen, vor allem da unklar sei, wie stark die großen Eisflächen den Anstieg des Meeresspiegels beeinflussten.

- Eine stärkere Erderwärmung wird nicht nur die Zahl der KLIMAFLÜCHTLINGE erhöhen, sondern auch die bisher vermuteten Wanderungsbewegungen verändern, berichtet Francois Gemenne vom Centre for Ethnic and Migration Studies der Universität Liège. Ein entscheidender Unterschied: Viele Menschen werden nicht mehr die Wahl haben, ob sie ihre Heimat verlassen wollen oder nicht, sondern aufgrund der Schwere der Umweltveränderungen dazu gezwungen werden.

- In Afrika könnte eine Erhöhung der globalen Temperaturen um vier Grad bis 2090 zu einer deutlichen VERKÜRZUNG DER VEGETATIONSZEIT und damit zu deutlichen Ernteeinbußen führen. Den Simulationen zufolge würde ein Anstieg um fünf Grad Celsius die Maisernte um 24 Prozent schmälern, die Bohnenernte sogar um mehr als 70 Prozent, berichten Philip Thornton vom International Livestock Research Institute in Nairobi (Kenia) und seine Mitarbeiter. Immer häufiger würden Ernten aufgrund von Wetterereignissen ganz ausfallen.

- Die NIEDERSCHLÄGE werden sich grundsätzlich ähnlich entwickeln wie unter einem Zwei-Grad-Szenario: Trockene Regionen werden noch trockener und feuchte Regionen noch feuchter. Allerdings seien die Veränderungen viel stärker ausgeprägt, schreiben Forscher um Fai Fung vom Tyndall Centre for Climate Change Research in Norwich (Großbritannien). In der Mehrzahl der 112 von ihnen untersuchten Fluss-Einzugsgebieten wird der Wasserbedarf der Menschen das Angebot überschreiten. Grundsätzlich sei in einer "Zwei-Grad-Welt" das Bevölkerungswachstum die Hauptursache dieses Wasserstresses. In einer "Vier-Grad-Welt" hingegen würde der Klimawandel zum dominierenden Faktor, schreiben die Wissenschafter.

- REGIONALE TEMPERATUREN verändern sich im Verhältnis zur globalen Temperatur in einem Zwei-Grad- und einem Vier-Grad-Szenario sehr ähnlich, berichtet ein Forscherteam um Michael Sanderson vom Met Office Hadley Centre in Exeter (Großbritannien). Eine Ausnahme bildeten große Teile der Nordhalbkugel, wo es bei einer globalen Erwärmung von 4 Grad Celsius in den Sommermonaten zu einer deutlich stärkeren Erwärmung komme. In der Arktis könne es bei einem globalen Temperaturanstieg von 4 Grad in den Wintermonaten um 12 bis 16 Grad Celsius wärmer werden. (APA)