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Mit ihren Aussagen über "Familien" hat die neue Staatssekretärin Verena Remler eher wohlsituierte Eliten als den Durchschnitt gemeint.

Foto: AP Photo/Diether Endlicher

Vergangene Woche unterbrach eine Wortmeldung der neuen Familienstaatssekretärin Verena Remler (ÖVP) die Proteste gegen die Kinderbeihilfekürzungen und weiteren Budgetsparpläne auf Kosten von Eltern und ihrem Nachwuchs. Es sei "an der Zeit, den Frauen wieder mehr Mut zu Kindern zu machen", sagte die Politikerin aus Lienz im Interview mit DER STANDARD, denn "Familie ist, wo Kinder sind" - und wo Familie sei, sei es Aufgabe der Politik, ein "glückliches Familienleben zu ermöglichen".

Damit bringt die Newcomerin die Verkennung moderner Familien(finanz)verhältnisse durch die Politeliten in Zeiten des Geld-für-die-Kosten-der-Weltwirtschaftskrise-Eintreibens auf dem Rücken der Normalverdiener auf den Punkt. Fast könnte einem die unglückselige Kaiserin von Frankreich, die Habsburgerin Marie Antoinette, einfallen, mit ihrem wenige Jahre vor der Französischen Revolution kolportierten Spruch vom Kuchen essen, wenn man denn schon kein Brot habe. (Dabei wurde ihr dieser Spruch fälschlicherweise in den Mund gelegt.)

Heute wird die "klassische Familie", wie sie Remler neben "Patchworkfamilien und Wiederverheirateten" erwähnt, zunehmend zum Minderheitsprogramm: die "richtige Familie" mit Haus im Grünen, gutverdienendem Ehemann, zwei oder mehr Autos - und Au-Pairs oder Hausangestellten für die Kinderbetreuung, wenn die Frau des Hauses karitativ tätig ist oder gar Karriere macht. Eine solche Familie ist ein Privileg, für deren glückliches Gelingen der Staat einiges unternimmt: Die Straßen zum Arbeitenfahren in die City sind gut ausgebaut, Au-Pairs sind vergleichsweise unbürokratisch zu bekommen (man ahnt, dass sie oftmals ausgebeutet werden, aber hört nicht viel darüber).

Von dort aus anderen Frauen "Mut zum Kind" zuzusprechen, ist heuchlerisch: Anderen Frauen, die nur Teilzeitjobs finden, obwohl sie gern Vollzeit arbeiten würden, aber wer kümmert sich dann um den Nachwuchs? Die Männer (allermeist) nicht, da hat sich seit Jahrzehnten wenig geändert - und Au-Pairs oder gar Hausangestellte muss man sich leisten können (der Gegenwert des reduzierten Mehrkindzuschlags reicht dafür sicher nicht).

Und dann gibt es noch jene, für welche die aktuell betriebene Politik "Familienglück" nicht vorsieht - die also besonders viel "Mut für Kinder" aufbringen müssen: Binationale Familien, die für Monate bis Jahre getrennt leben, weil einer der Partner Drittstaatangehöriger ist und für einen Aufenthaltsantrag ausreisen musste. Abschiebegefährdete Familien mit Kindern, die im Grund hierhergehören, aber trotzdem wegmüssen, es sei denn, im Einzelfall wird gnadenhalber eine Ausnahme gemacht. Sowie die, laut derzeitigem gesetzlichen Stand der Dinge, "Garnichtfamilien": Lesben oder Schwule, die gemeinsam Kinder (etwa aus früheren Heterobeziehungen) aufziehen. Oder gar Kinder adoptieren wollen. Ihr "Mut zum Kind" gilt für PolitikerInnen à la Remler nicht. Und Kuchenverteilungen sind hier keine in Sicht.

Irene.Brickner@derStandard.at