"They watch the Moon" (2010): Früher wurden auf dieser Militärbasis, tatsächlich die vom Mond reflektierten, elektronischen Signale ausgewertet, erklärt der amerikanische Künstler Trevor Paglen.

Foto: Secession/Trevor Paglen

Fragen der Skulptur behandelt Manfred Pernice, jene der Zeichnung Maria Bussmann.

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Wien - Aus zwanzig Meilen Entfernung richtet sich das Kameraauge auf geheime Militärbasen. Drohnen, Fahrzeuge und Gebäude verschwimmen zu unscharfen Farbflecken. Die Aufnahmen von Trevor Paglen (geb. 1974 in Maryland) erfordern extreme Standpunkte. Mit Teleskop und Spezialkamera stieg er etwa bei Vollmond auf einen Berg, um eine Basis im Bild einzufangen, wo "sie eure Telefonate abhören und E-Mails lesen" .

They Watch the Moon zeigt riesige weiße Satellitenschirme im wogenden weiten Grün der Wälder und verbreitet eher die malerische Wirkung einer irrealen Idylle denn eines bedrohlichen Spionageszenarios. Trevor Paglen, Künstler, Geograf und Sachbuchautor, ist eine von drei neuen Ausstellungen in der Secession gewidmet. Dokumentarisch sind seine Fotografien der verborgenen Aktivitäten und geheimen Orte von US-Geheimdiensten und Militärs - kurz der "Schwarzen Welt" und den weißen Flecken - jedoch keinesfalls:Bilder, die zu eindeutig, "die genau sagen, was sie sind" , reizen ihn nicht.

Mehr, als geheime Dinge zu enthüllen, beschäftigen ihn kulturelle Fragen des Sichtbaren und der Epistemologie. "Mich interessiert die Linie zwischen dem Sicht- und Unsichtbaren. Es ist wie mit einer geheimen Tür. Ich will sie nicht öffnen, aber ich gehe ganz nahe an sie heran."

Paglen ist eher am Blick auf diese Orte interessiert, an veränderter Rezeption. So sind ihm als Referenz insbesondere kunsthisto-rische Epochen wichtig, die menschliche Wahrnehmung maßgeblich veränderten: Edward Muybridges Anfänge der Bewegungsfotografie zum Beispiel; oder die beginnende Industrialisierung, die in William Turners Bildern dampfender Lokomotiven zu Fortschrittsikonen wurde.

Wenn Paglen also Satellitenbewegungen über einem Felsmassiv sichtbar macht oder Predator-Drohnen wie Ameisen in ein riesiges Himmelblau bettet, dann sind diese Fotos wie Gemälde komponiert. Die Verbildlichung solch visueller Phänomene basieren jedoch auf intensiver Forschung und auf Datenmaterial, das ihm auch Amateur-Netzwerke von Flug- und Satellitenbeobachtern zur Verfügung stellen.

Dass er nach seinem Kunststudium noch einen Doktor in Geografie anschloss, lag auch daran, dass er nicht einer jener Künstler sein wollte, deren Recherchen sich fern jeglicher Wissenschaftlichkeit bewegen.

Maßgeblich war aber, dass ihn die theoretische Sprache der Kunst "frustrierte" . Er suchte nach einer Sprache, die über Fragen der Repräsentation und Bildhaftigkeit hinausgeht. Ihm geht es, Lefebvre folgend, um die Produktion von Räumen durch Menschenhand, und wie diese gemachten Räume umgekehrt sich auf den Menschen auswirken. Anregende Arbeiten.

Neben Paglen präsentiert die Secession konzeptuelle Zeichnungen Maria Bussmanns auf Telex-Endlosrollen. Den Hauptraum bespielt Manfred Pernice, der sich in sculpturama mit formalen Problemen der Skulptur beschäftigt:Der Frage flexibler (Betrachter-) Standpunkte begegnet er etwa mit Drehmomenten. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 27./28. November 2010)