Im schon seit rund drei Jahren schwelenden Konflikt um zwei Studien über die Schädlichkeit von Handy-Strahlung an der Medizinischen Universität Wien (MUW) hat nun die Kommission für wissenschaftliche Integrität heute, Freitag, ihre Stellungnahme abgegeben. Das Gremium kritisiert die Dokumentation der Originaldaten in den umstrittenen Studien sowie deren Darstellung, "die nicht den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis entsprechen" und "Sorgfalt vermissen" lassen. Gleichzeitig betont die Kommission aber mehrmals, dass "Fälschungsvorwürfe nicht bestätigt" werden könnten.

Im Jahr 2008 hat MUW-Rektor Wolfgang Schütz von "gravierenden Verdachtsmomenten" gegen zwei Studien des damals bereits emeritierten Leiters der Abteilung für Arbeitsmedizin der MUW, Hugo Rüdiger, gesprochen und auch die Herausgeber der beiden Wissenschaftszeitschriften, in denen die Arbeiten veröffentlicht wurden, über den Fälschungsverdacht informiert. Es handelte sich dabei um Arbeiten, in denen eine Erbgut-schädigende Wirkung von Mobilfunk-Strahlung an bestimmten Zellen beschrieben wird. Rüdiger zeigte sich damals ob der Fälschungsvorwürfe "fassungslos", räumte aber Probleme bei einer der beiden Studien hinsichtlich der sogenannten "Verblindung" der Daten ein. Diese sollte dafür sorgen, dass die Experimentatoren während eines Versuchs absolut objektiv handeln und das Ergebnis nicht beeinflussen können. Wenig später zog Rüdiger dann diese Studie zurück.

Die aus renommierten Wissenschaftern aus dem Ausland zusammengesetzte Kommission für wissenschaftliche Integrität, ein Organ der 2008 gegründeten Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (AWI) wurde in dem Fall im Vorjahr durch einen Hinweis des Professors für Biologie von der Universität Bremen, Alexander Lerchl, tätig. Grundsätzlich werden alle Anfragen an die Kommission, Namen der Hinweisgeber sowie verdächtigte Personen von der Kommission streng vertraulich behandelt. "In diesem speziellen Fall macht die Kommission eine Ausnahme und veröffentlicht ihre Stellungnahme, da der Fall in der Öffentlichkeit bereits ausführlich diskutiert wurde", erklärt Kommissionsvorsitzende Ulrike Beisiegel in einer Aussendung.

Unklarheiten

Rüdiger habe zu den Vorwürfen mündlich und schriftlich Stellung genommen und die aufgeworfenen Fragen zum Teil klären können. Es sei allerdings unklar geblieben, wie aus den verfügbaren Originaldaten die publizierten Ergebnisse entstanden seien, heißt es seitens der Kommission, die "auf dieser Grundlage den von Herrn Lerchl erhobenen Fälschungsvorwurf weder bestätigen noch entkräften konnte". Allerdings entspreche bei allen Publikationen "die Dokumentation der Originaldaten und deren Darstellung nicht den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis und lassen somit die Sorgfalt vermissen, die notwendig ist, um die publizierten Ergebnisse nachvollziehen zu können".

Angesichts der Bedeutung der Ergebnisse für die breite Anwendung der Mobilfunktechnologie wäre es nach Ansicht der Kommission "angebracht gewesen, vor der Publikation die Experimente von einer unabhängigen Arbeitsgruppe bestätigen zu lassen". Bei einer Wiederholung der Experimente aus einer der Studien nach Veröffentlichung der Daten hätten die Ergebnisse der Wiener Arbeitsgruppe nicht reproduziert werden können - was für die Kommission jedoch "nicht bedeutet, dass damit der Fälschungsvorwurf bestätigt wäre".

Die Kommission kommt zu dem Schluss, "dass die wissenschaftliche Gemeinschaft in diesem Feld noch zu keinem abschließenden Erkenntnisstand gelangt ist und insofern weitere sorgfältig geplante und durchgeführte wissenschaftliche Untersuchungen notwendig sind, um die eventuell bestehenden Zusammenhänge zwischen elektromagnetischer Strahlung und Zellschädigungen sowie deren Ursachen aufzuklären".

Kritik

Laut Alexander Lerchl, Professor für Biologie an der Universität Bremen, hat die Kommission für Wissenschaftliche Integrität bei ihrer Stellungnahme zu zwei Studien über die Schädlichkeit von Handy-Strahlung an der Medizinischen Universität Wien (MUW) Fehler gemacht. So habe die Kommission nicht alle relevanten Unterlagen berücksichtigt, außerdem habe sie die Vorwürfe nicht mit der notwendigen Sorgfalt untersucht, so der Biologe am Freitag in einer Aussendung.

Der Kommission seien Gutachten, die Lerchls Kritik bestätigen, nicht vorgelegt worden. Die betreffenden Expertisen von Peter Bauer, seinerzeit Leiter der Medizinischen Statistik an der MUW, hätten gezeigt, dass die Ergebnisse der Handy-Studien von einer unabhängigen Forschergruppe nicht reproduziert werden konnten. "Daher müssen an der Validität der Ergebnisse fundamentale Zweifel angemeldet werden!"

Kritik übt Lerchl auch daran, dass er weder schriftlich noch mündlich durch die Kommission angehört wurde. Schließlich sehe die Geschäftsordnung der Kommission vor, dass es Anhörungen Betroffener geben kann, falls aufgrund der vorgelegten Unterlagen keine ausreichende Beurteilung des Sachverhaltes möglich ist. Lerchl folgert daraus, "dass die Kommission die Fälschungsvorwürfe nicht mit dem erforderlichen Nachdruck und der notwendigen Sorgfalt untersucht und gegen ihre eigene Geschäftsordnung gehandelt hat."

(APA)

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