Wien - Um die Komplexitäten politischer Wirklichkeiten - oder auch nur die Wege, die zu ihnen führen - in die Ordnung eines Hollywood-Spielfilms zu überführen, benötigt es Abstraktionsvermögen. Anders gesagt: Geschichten, in denen sich das Große im Kleinen, das Unüberschaubare im Vertrauten widerspiegelt. Die Plame-Affäre, die Doug Limans Polit-Thriller Fair Game zugrunde liegt, bietet dafür die nötigen Voraussetzungen: Es geht um Informationen, die der Bush-Regierung als Rechtfertigung für den Irakkrieg dienten - und hier durch ein einziges Ehepaar gefiltert werden.
Valerie Plame - im Film kühl, pflichtbewusst von Naomi Watts gespielt - ist eine CIA-Agentin, die mit der Beschaffung von Beweisstücken über die Existenz von nuklearen Aufbereitungsanlagen im Irak betraut wird. Ihr Mann, der ehemalige Botschafter Joe Wilson (Sean Penn), übernimmt parallel dazu die geheime Mission, in den Niger zu reisen, um entsprechende Uranverkäufe an Saddam Hussein zu recherchieren - kommt aber ohne Ergebnisse zurück.
Es ist einer der gelungensten Szenen des Films, als Colin Powell in seiner berühmt gewordenen Rede vor dem Weltsicherheitsrat nichtsdestotrotz von Massenvernichtungswaffen spricht, während das Ehepaar Wilson/Plame beim Abendessen mit Freunden ihm wie alle zuhören muss - im Unterschied zu den meisten anderen aber weiß, dass er nicht die Wahrheit sagt.
Der rechtschaffene Wilson lässt dies nicht auf sich sitzen. Er beschließt, in die Offensive zu gehen, und veröffentlicht in der New York Times einen Text mit nicht uneindeutigem Titel: "What I Didn't Find in Africa". Die Folgen sind höchst prekär: Plame wird durch gezielte Indiskretion als Agentin enttarnt, was nicht nur sie gefährdet, sondern vor allem etliche ihrer ausländischen Vertrauten mit dem Tod bezahlen müssen.
Fair Game wirkt stellenweise dennoch nur wie die auf seriös getrimmte Variante von Doug Limans Rosenkrieg-unter-Spionen-Comedy Mr. and Mrs. Smith. Anstatt sich auf eine faktenbezogene Ebene zu verlassen - oder umgekehrt das Spiel mit Täuschung und Lüge noch ein paar Schritte weiterzutreiben -, lässt Liman die Profession des Ehepaars auf denkbar konventionelle Weise im Privatbereich nachwirken. Ehekrise hin oder her, angesichts der Brisanz des Sujets erscheint dieser emotionale Verstärker doch eher nebensächlich.
Nachteilig auf Fair Game wirkt sich zudem aus, dass die mit moralischem Eifer versehene Abhandlung, die zwischen gut und böse wenig Grauzonen kennt, spät kommt - die Fronten sind allzu vertraut. Nur Penn, der seine politische Gesinnung als Schauspieler nie vehehlt, verkörpert Wilson mit einer Wut, welche die Zeit geradezu grotesk überstanden hat. (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2010)