Am Flughafen in Schwechat entsteht ein Finanz-Mahnmal.

Foto: Matthias Cremer

Am Mittwoch entscheidet der Flughafen-Aufsichtsrat über Konsequenzen aus dem Skylink-Debakel.

Wien – Am Flughafen Wien steht heute, Mittwoch, Köpferollen auf der Agenda. Der Aufsichtsrat berät über Konsequenzen nach dem Debakel beim Bau des Terminals Skylink. Dass nur das – 2009 für fünf Jahre verlängerte – Mandat von Vorstandssprecher Herbert Kaufmann vorzeitig beendet werden soll, wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl (repräsentiert 20 Prozent der Flughafen-Aktien) in Aussicht stellte, ist möglich.

Logisch wäre es laut dem im Rohbericht des Rechnungshofs (RH) aufgelisteten Sündenregister nicht. Denn der RH nimmt den Gesamtvorstand in die "Überwachungspflicht" . Zwar seien die Aufgaben zwischen Kaufmann, Ernest Gabmann (Finanzen) und Gerhard Schmidt (Technik, Controlling) verteilt, aber "der Gesamtvorstand wurde regelmäßig ... über den Stand des Projekts informiert" . Außerdem hätten sämtliche Vorstandsmitglieder dem "Steering Committee" angehört, dem obersten Steuerungsgremium für die laufende Kontrolle des Baufortschritts. Ohne Einigung auf Kaufmanns Millionenabfertigung könnten alle drei bleiben, hieß es.

Viele Alleingänge

Wiewohl das Committee, das von 2001 bis 2009 insgesamt 37 Mal tagte und "notwendige Entscheidungen über das Projektvorgehen zu treffen" hatte, tat es das nicht immer. Am 30. Juni 2009 verfügte der damals neue Finanzvorstand Gabmann (wurde vom zweiten Hauptaktionär, dem Land Niederösterreich entsandt) den Baustopp samt Vertragskündigungen – ohne "Beschluss des Gesamtvorstandes" , so der RH.

Streit über Kosten

Chaotisch verliefen, wie mehrfach berichtet, auch viele Auftragsvergaben beim Skylink. Laut RH kam es bei Aufträgen im Volumen von 103,633 Mio. Euro zu Vergabeverstößen. Von den vielen Mängeln erscheint das Kapitel Heizung-Klima-Lüftung besonders heikel: Der Flughafen holte nämlich ein Gutachten ein, in dem auf die Rechtswidrigkeit einer Direktvergabe an die Firmen Siemens und Ortner verwiesen wurde. Die Projektsteuerung setzte sich darüber hinweg. Und: "Der Vorstand, der von der anwaltlichen Stellungnahme Kenntnis hatte, genehmigte den Abschluss der Vereinbarungen."

Lückenhaft waren auch die Berichte an den Aufsichtsrat. Da referierte der Vorstand über hohes Kosten- und Terminrisiko, in den eigenen Vorstandsberichten war davon allerdings nicht die Rede. Am 20. Februar 2009 wurde zwar über Skylink beraten – allerdings nur auf Basis einer Tischvorlage. Immerhin ging es um zeitliche Verzögerungen ins Jahr 2010 hinein und ein "zur Zeit nicht quantifizierbares Kostenrisiko" . Dafür sicherte sich der Vorstand mittels Gutachten "gegen eine allfällige strafrechtliche Verfolgung" ab.

Dafür wollen die Flughafen-Chefs genau wissen, dass die vom RH attestierte Kostenexplosion von 401,79 Mio. Euro (im November 2002) auf 952,39 Mio. Euro (März 2010) zu hoch sei, wie sie beteuern. Darin seien so genannte "Schnittstellenprojekte" wie Möblierung, Leitsystem oder Werbung inkludiert. Die Kosten für die Terminalerweiterung lägen bei 830 Mio. Euro, mit dem Ziel, diese Summe zu unterschreiten, wie ein Flughafensprecher betonte.

Der Befund des Rechnungshofs: Die Kostensituation sei "äußerst instabil. Durch die Herauslösung von Projekten wurde die Kostenschätzung ... als Kontrollinstrument sowie als Grundlage für die Budgetplanung ungeeigneter" . Sogar die Prognose für die letzte Budgeterhöhung im Dezember 2009 (auf 929,5 Mio. Euro) beruhte laut RH nur auf Schätzungen.

Dass der Skylink nach 4,5 Jahren Verzögerung wirtschaftlich sei, wie der Flughafen versichert, ist laut RH nicht so sicher. Die Kostenüberschreitungen bringen die gesamte Flughafen Wien AG aus der wirtschaftlichen Balance. Nicht nur Skylink geriet aus den Fugen, es kamen 15 neue Projekte dazu, etwa die Verbreiterung der Vorfahrt zum Terminal oder eine Leitsystemerneuerung. Sie verdoppeln die Kosten des Megaprojekts laut Planzahlen 2009 von 510 Mio. auf 1,027 Milliarden Euro. Am Beispiel Skylink: Die Plankosten wurden von 2005 bis 2009 von 393 auf 815 Mio. Euro "adaptiert" .

Finanziell könnte der Flughafen deswegen abheben, denn nach der Bedienung der Kapitalkosten bleibt nicht viel übrig. Die Nettoverschuldung erhöhte sich von 2005 bis 2009 von 17 auf 77 Prozent oder 613,9 Mio. Euro. Zudem plant der Flughafen bis 2014 weitere Investitionen im Ausmaß von 1,28 Mrd. Euro. Angesichts der Explosion beim Mittelbedarf empfiehlt der RH eine Kapitalerhöhung, die mindestens zu 40 Prozent von den Hauptaktionären Wien und Niederösterreich kommen müsste. (gra, as, ung, DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2010)