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Was waren die Motive des Angriffs? Die Experten fischen im Trüben. In Seoul tagte unterdessen unter Vorsitz von Präsident Lee Myung-bak (vorne) der Generalstab

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Zwei südkoreanische Soldaten mussten bei dem Angriff ihr Leben lassen

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Der Moment des Einschlags eines der Geschosse

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Die Inselgruppe Yeongpyeong liegt zwischen Nord- und Südkorea, nur 11 Kilometer von Nordkorea aber 115 Kilometer von Südkorea entfernt. Etwa 1000 Soldaten hat Südkorea dort stationiert.

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Die Spannungen in Ostasien haben sich am Dienstag nach einem schweren Feuergefecht zwischen Nord- und Südkorea drastisch verstärkt. Während Nordkorea "gnadenlose Gegenschläge" bei einem Angriff Südkoreas ankündigte, versetzte der Süden seine Truppen in höchste Alarmbereitschaft und ließ Abfangjäger aufsteigen.

Auch Japan berief umgehend einen Krisenstab ein, der sich laut Ministerpräsident Naoto Kan auf "alle möglichen unerwarteten Vorfälle" vorbereiten solle. Südkoreas Präsident Lee Myung-bak rief alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. "Wir müssen die Situation vorsichtig managen, um eine Eskalation des Zusammenstoßes zu verhindern", sagte der Präsident.

Das Gefecht ist selbst in der an bewaffneten Scharmützeln reichen Geschichte der geteilten Bruderstaaten höchst brisant. Denn erstmals seit langem waren auch Zivilisten auf südkoreanischem Gebiet betroffen. Der südkoreanische Fernsehsender YTN berichtete von 200 Einschlägen auf der bewohnten südkoreanischen Insel Yeonpueong, die an der westlichen Seegrenze beider Staaten liegt. Südkorea feuerte nach Angaben des Verteidigungsministeriums "zur Selbstverteidigung" 80-mal zurück.

Bilder wie im Krieg

Das Ergebnis sind Bilder wie im Krieg. Dichte Rauchwolken steigen über der Insel auf. 60 Häuser wurden zerstört, zwei südkoreanische Soldaten getötet, Zivilisten verletzt. 1200 Zivilisten mussten in Bunker flüchten. Bei früheren Zwischenfällen, die wie der Torpedoangriff auf das südkoreanische Kriegsschiff Cheonan im Frühjahr dieses Jahres sogar weit mehr Tote gefordert hatten, waren nur Soldaten betroffen.

Der Ablauf des Vorfalls war zunächst umstritten. Nach Angaben von Südkoreas Verteidigungsministerium hatte der Norden um 14.34 Uhr Granaten in das Seegebiet um die bewohnte südkoreanische Insel im Grenzgebiet gefeuert, wo Südkoreas Marine ein Manöver durchführte. Einige seien auch auf der Insel gelandet. Der Süden habe daraufhin zur Selbstverteidigung das Feuer erwidert. Der Norden hingegen beschuldigt den Süden, zuerst geschossen zu haben. Seoul räumte ein, Granaten zu Testzwecken abgefeuert zu haben, allerdings nach Süden.

Westliche Experten halten Nordkoreas Dementi allerdings nicht für überzeugend. "Dies ist ein klares Signal des Nordens, dass er die Sechsparteiengespräche über die Abwicklung seines Atomprogramms nicht fortzusetzen gedenkt", sagt Walter Klitz, Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul und Stammgast in Nordkorea. "Nordkorea will als Atomstaat anerkannt werden."

Rätselraten herrscht allerdings darüber, warum der Norden ausgerechnet jetzt dieses explosive Ausrufezeichen gesetzt hat. Denn erst am Wochenende hatte das Land mit einer Präsentation seiner neuen Urananreicherungsanlage für US-Experten der Staatengemeinschaft vor Augen geführt, dass ihre bisherige Taktik gescheitert ist, durch Sanktionen Verhandlungen zu erzwingen.

Klitz hält innenpolitische Gründe für wahrscheinlich. "Nordkoreas Führung braucht den äußeren Konflikt, um die Reihen nach innen zu schließen." Denn der Führer Kim Jong-il stützt seine Herrschaft mit der Begründung auf das Militär, dass die USA das Land ohne Nordkoreas militärische Macht angreifen würden.

Machtbeweise für Generäle

Andere Beobachter glauben, dass Kims Nachfolgepolitik das Risiko von provokanten Aktionen des Nordens noch erhöht. Kim hatte im September auf einem Parteitag seinen erst 27 Jahre alten Sohn Kim Jong-un offiziell zum Nachfolger und zum Viersternegeneral ernannt. "Wahrscheinlich muss sich der junge Kim noch bei den Generälen beweisen", hieß es.

Für Peter Hayes, den Direktor des Nautilus-Instituts in den USA, ist die Medientaktik klar: "Nachdem sich die Demokratische Volksrepublik Korea den unzweideutigen Rückhalt Chinas gesichert hat, kann das Land geduldig die Absichten Amerikas testen. Das strategische Ziel scheint zu sein, systematisch die Unfähigkeit der USA zu erweisen, Nordkorea in die Knie zu zwingen."

Die USA sind nun in der unangenehmen Lage, ihre gescheiterte Nordkorea-Politik neu auszurichten. Die USA hatten nach dem Cheonan-Zwischenfall die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft, um Kim zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen. Doch nicht nur habe es niemals mehr sanktionierte Luxusgüter und Elektronikartikel in Pjöngjang zu kaufen gegeben als heute, auch betreibe das Regime seinen Waffenhandel weiter, erklärte jüngst ein Bericht der Vereinten Nationen.

"Es ist unmöglich, das Problem durch Sanktionen allein zu lösen", hatte daher Moon Chung-in, Professor der Yonsei-Universität und ehemals südkoreanischer Minister für Internationale Sicherheit, bereits am Montag erklärt. "Wenn wir nicht Verhandlungen anstreben, bleiben nur noch militärische Maßnahmen." Nur ist noch offen, wie dies ohne Gesichtsverlust gehen soll.

Kein Spielraum für Obama

Der Norden verlangt bilaterale Gespräche mit den USA. Doch der Handlungsspielraum von US-Präsident Barack Obama ist eingeengt. Er kann Nordkorea nicht offiziell als Atommacht anerkennen. Denn durch eine Belohnung von Kims atomarer Rüstungspolitik würde er dem Atomwaffensperrvertrag den Todesstoß versetzen, der andere Staaten wie den Iran von nuklearer Aufrüstung abhalten soll. (red, Martin Kölling aus Tokio, STANDARD-Printausgabe, 24.11.2010)


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