Wien - Wenn es stimmt, dass der Arm des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow so lang ist, dass er in Wien einen vor ihm geflüchteten Landsmann ermorden ließ, dann kann man Suleyman D. (36) eine Portion Mut nicht absprechen. Für ihn ist Kadyrow nämlich ein "Nationalverräter". Es kann aber auch sein, dass D. nur alles versucht, um seine mutmaßliche Beteiligung an der Ermordung von Umar Israilow zu entkräften. Deswegen steht er, wie berichtet, gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten aus Tschetschenien seit einer Woche vor Gericht. Am Montag wurde D. im Wiener Landesgericht ausführlich befragt.

D., der sich selbst zu den "guten Muslimen" zählt (Richter Friedrich Forsthuber bevorzugt den Ausdruck "Islamisten"), hatte den mutmaßlichen Mörder, der später entwischt und heute Polizist in Tschetschenien ist, von St. Pölten zum Tatort chauffiert. Das streitet er auch nicht ab. Nur von einem Mordauftrag sei ihm zu keiner Zeit etwas bewusst gewesen. Angeblich habe der spätere Mörder nur eine interne Geldangelegenheit regeln wollen. Einen Schuss habe er für einen Reifenplatzer gehalten, als der Mörder später mit blutverschmiertem Gesicht wieder einstieg, soll sich D. mit der Erklärung "Streiterei" zufrieden gegeben haben.

Auf viele Fragen kann sich D. einfach nicht mehr erinnern und fordert: "Man soll mich dafür verurteilen, was ich weiß, nicht für das, was ich nicht weiß." Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. (simo/DER STANDARD-Printausgabe, 22.11.2010)