In Österreich beschäftigten missbräuchliche Irland-Konstruktionen die Gerichte.
Wien – Jetzt wittern viele EU-Finanzminister ihre große Chance. Die finanzielle Schieflage Irlands wäre eine gute Gelegenheit, Dublin die vielgescholtenen Steuerzuckerln zu versalzen. Hilfszusagen der Eurozone und des Währungsfonds könnten mit der Auflage verbunden werden, den extrem niedrigen Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent deutlich anzuheben, so die Überlegungen, die nun von Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde offen ausgesprochen wurden.
In Irland lassen solche Äußerungen die Alarmglocken schrillen. Eine Einmischung von außen, insbesondere in Fragen des Steuerrechts, komme einer Kapitulation gleich, kommentierte die Irish Times. Anspielungen auf Oliver Cromwell, der die Insel nach einem Aufstand 1649 zurückeroberte und disziplinierte, machen die Runde. Die steuerpolitische Unabhängigkeit dürfte auch der Hauptgrund dafür sein, dass Dublin Hilfe von außen so lange abwehrt, obwohl die Schockwellen längst andere Eurostaaten beeinträchtigen. Nebenbei wurde dem Land die Eigenständigkeit in der Fiskalpolitik nach dem Nein zum Lissabon-Vertrag von der Union quasi als Beruhigungspille – die EU hat ja ohnehin kaum Kompetenzen bei direkten Steuern – verbindlich zugesagt.
Finanzzentrum Dublin
Faktum ist, dass die niedrige Unternehmensbelastung nicht nur Betriebsansiedlungen förderte, sondern dass Irland auch für Finanzierungen äußerst attraktiv ist. Banken, aber auch Industriebetriebe lagern gern Teile ihres Geldwesens auf die Insel aus. Der auf internationale Steuerfragen spezialisierte PwC-Partner Friedrich Rödler schildert die Vorteile so: Firmen gründen eine irische Tochter, die dort Kapital aufnimmt; während beispielsweise in Österreich eine einprozentige Kapitalverkehrssteuer anfällt, erfolgt der Vorgang in Irland abgabenfrei. Alternativ dazu kann der Ableger auf der Insel auch über das Verschieben von Gewinnen gespeist werden – so weit das im Rahmen des Gestaltungsspielraums möglich ist.
Dann wird das Kapital in Form eines Kredits nach Österreich verliehen. Die hiesige Mutter kann die Darlehenszinsen voll absetzen und spart damit hierzulande Steuern. Die Gewinnausschüttungen der irischen Tochter an die Dachgesellschaften erfolgen innerhalb der EU ohnehin steuerfrei. In Österreich verfügen mehrere Großbanken über Finanzvehikel in Dublin. Auch die Aufnahme von Hybridkapital über Emissionen in Irland gelten als beliebt.
Rödler weist allerdings darauf hin, dass das Ausnützen der Steuervorteile nicht so einfach sei. In zwei Fällen beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof damit und kippte Konstruktionen, die er als missbräuchlich einstufte. Dazu Rödler: "Einfach ein Büro mit einer Hilfskraft zu eröffnen ist zu wenig", umschreibt der Experte die Fälle. Im Urteil ist sogar von einer "ausstattungslosen" Tochter – sogenannte Dublin Docks-Gesellschaften – die Rede.
Diskussion über Konsequenzen
Auch Irland musste im Kampf gegen unfairen Steuerwettbewerb Konzessionen machen. Der begünstigte Steuersatz von zehn Prozent für internationalen Finanzdienstleistungszentren musste bereits auf das reguläre Niveau von 12,5 Prozent angehoben werden.
Abgesehen von der moralischen Frage wird derzeit heftig diskutiert, welche Konsequenzen eine allfällige Steueranhebung in Irland hätte. Der Internationale Währungsfonds, der seine Inspektion auf der Insel bereits aufgenommen hat, dürfte einer Anhebung der Unternehmenssteuern skeptisch gegenüberstehen, heißt es. Auch Rödler warnt. Eine höhere Belastung würde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes schwächen und folglich zu keinen Mehreinnahmen führen. Viel eher dürften die unteren Einkommensschichten zur Kasse gebeten werden. Im Gespräch ist die Absenkung des verhältnismäßig hohen Steuerfreibetrags, durch den fast die Hälfte der Iren von Abgaben befreit sind. Die Belastung durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge liegt in Irland mit 29,2 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt von 39,6 Prozent.
Die Körperschaftsteuer jedenfalls ist "nicht verhandelbar", wie Vize-Premier Mary Coughlan klarstellte. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.11.2010)