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Stehen und dabei stinken: Viel mehr können Autofahrer in Graz schon jetzt meistens nicht tun. FPÖ-Landesrat Gerhard Kurzmann will trotzdem noch mehr Autos in die Stadt lassen.

Foto: APA/Leodolter

Graz - Menschen, die in Graz leben, atmen - nicht nur im bundesweiten Vergleich - nach wie vor am meisten Dreck ein. Obwohl der Winter noch nicht richtig angefangen hat, hält man hier bereits wieder bei rund 50 Überschreitungstagen, also Tagen, an denen die Konzentration der PM10-Partikel in der Luft um ein Vielfaches höher ist, als es die EU erlaubt.

In der EU sind es 35 Tage pro Jahr, an denen der Richtwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erhöht sein darf. Dass man in Graz nicht bereits Strafzahlungen in Millionenhöhe leisten muss, liegt daran, dass der ehemalige Umweltlandesrat, Manfred Wegscheider (SPÖ), bei der EU um eine Fristerstreckung ansuchte. Diese wurde der Steiermark unter der Bedingung, dass verschiedene Maßnahmen eingehalten werden, auch bis Juni 2011 genehmigt. Die wichtigste Maßnahme, für die man sich dabei verpflichtete, war die Einführung einer Umweltzone, wie sie in Deutschland mittlerweile in 34 Städten existiert.

Diese hätte in Graz mit nächstem Winter, also 2011/2012, sukzessive 20 Prozent der Kraftfahrzeuge ausgesperrt. Vor allem Dieselautos, aber auch Benziner, die über keinen Katalysator verfügen, wären davon betroffen gewesen.

Die Maßnahme ist aus gesundheitlichen Gründen nach Meinung aller Umweltmediziner überfällig, denn die Hälfte des Feinstaubs erzeugt motorisierter Verkehr - durch Abgase, aber auch den Abrieb auf den Straßen.

"Schaden für 15 Jahre"

Den neuen Verkehrslandesrat der FPÖ, Gerhard Kurzmann, beeindrucken die Vereinbarungen mit der EU wenig. Dass er, der schon im Wahlkampf kein Umweltprogramm hatte, die beiden "Nachhaltigkeitsressorts bekommen hat, ist Wahnsinn", ärgert sich Grünen-Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Lisa Rücker. Auch wenn man mit diesem politischen Schachzug den Neo-Landesrat als jemanden entlarve, "der einfach keine Ahnung hat", warnt Rücker, "dass jede seiner Entscheidungen auf zehn bis 15 Jahre Schaden anrichten kann". Kurzmann, der für den Standard am Donnerstag nicht zu sprechen war, hat öffentlich bekundet, das Feinstaub-Problem über eine Fernwärme-Offensive lösen zu wollen. Eine Maßnahme, die zwar Autofahrer ruhig stellen, aber trotzdem unpopulär sein könnte.

"Um die Feinstaubwerte mit gleich viel Verkehr annähernd zu senken, müssen wir über eine Fernwärme-Verpflichtung reden", so die Vizebürgermeisterin. "Alle neuen Anschlüsse müssten sofort umrüsten, alle anderen binnen zehn Jahren. Das würde hunderte Millionen Euro kosten."

Bevor Kurzmann die Umweltzonen in Graz verhindern kann, müsste sie Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) erst ermöglichen: Auf eine Novelle der KfZ-Verordnung, die für die Einführung der Kennzeichnungen nötig ist, wartet man in der Steiermark bisher umsonst.

Dass viele Grazer bereit wären, auf Öffis umzusteigen, bewies zuletzt die Aktion der Frischlufttickets, die Rücker noch mit Wegscheider ausverhandelte. Innerhalb von Stunden waren 5000 GVB-Halbjahreskarten zum Preis von 99 (statt 186 Euro), vergriffen. Die Aktion zielte auf Neukunden ab und brachte außerdem 10.000 Rückmeldungen in Form von Fragebögen zum Öffentlichen Verkehr.

Zumindest Tempo 30 ist in Graz, anders als in Wien, kein Thema mehr: In Graz ist es seit 1992 die Höchstgeschwindigkeit auf allen Straßen mit Ausnahme der Hauptverkehrsstraßen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2010)