Zwei Displays müssen nicht besser als eines sein: eine Erfahrung, die man am Toshiba Libretto schnell macht.

Foto: Matthias Cremer

Toshiba, eine hochpreisige Qualitätsmarke im Notebook-Segment, scheint für Geräte mit Touchdisplay zwar Ideen, aber kein glückliches Händchen zu haben. Da war der JournE, ein schon im Vorjahr lang vor Apples iPad bei der Ifa in Berlin vorgestelltes 7-Zoll-Tablet, das vor allem im Haushalt nützliche Dienste leisten sollte, der sich schon nach kurzem Test als unausgereift und unbrauchbar herausstellte. Dann folgte bei der heurigen Ifa das Folio 100, ein 10-Zoll-Tablet auf Basis von Android, das von der Tech-Site Golem kürzlich mit dem vernichtenden Urteil "Finger weg" bedacht wurde - der WebStandard berichtete.

Zwei Displays

Und dann ist da das Toshiba Libretto, ein interessanter Versuch: Zwei Displays, die sich wie Buchdeckel (oder wie ein Notebook) zusammenklappen lassen. Auch Microsoft arbeitete an einem solchen Konzept (Courier) und legte es wieder beiseite - es hätte eine Warnung für den japanischen Konzern sein sollen, dessen Libretto angeblich nicht vom Courier inspiriert sein soll.

Das Touchdisplay eine mittlere Katastrophe

Das Libretto läuft mit einem Pentium-Prozessor und Windows 7, die Bedienung erfolgt ausschließlich über Berührung mit den Fingern. Vielleicht wäre japanisches Fingerspitzengefühl erforderlich, so jedenfalls ist das Touchdisplay eine mittlere Katastrophe: Die normale Windows-Oberfläche ist in dieser Kleinheit nur schwer zu bedienen, und obendrein ist die Berührung sehr schlecht kalibriert - an der Suche nach einer Kalibrierungs-Möglichkeit ist der Tester gescheitert.

Dazu kommt eine verwirrende Vielfalt, auf welche Arten Eingabe möglich ist: Der untere Bildschirm verwandelt sich in eine Displaytastatur; dabei überdeckt er jedoch eine Libretto-eigene Software, die zum Beispiel kleine Post-it-Zettel bereithält. Es gibt Tastaturen mit oder ohne Funktionstasten, in der Mitte geteilte Daumentastaturen mit gekrümmter oder gerader Tastenanordnung, und Zifferntasten - die große Wahl wird leicht zur großen Überforderung. Um Strom zu sparen (mehr als drei bis vier Stunden hält das Libretto nicht durch), blendet das untere Display so rasch weg, dass man auf der Suche nach dem richtigen Button verzweifelt. Auch auf der Suche nach der Regelung für die Zeit bis zum Wegschalten.

Liste des Mühsals l

Die Liste des Mühsals lässt sich fortsetzen. Das Libretto buchartig im Hochformat zu verwenden, scheitert an passenden Anwendungen dafür - und vor allem: Es gibt keine E-Books oder Magazine, die dies nutzen. Möglicherweise ist Toshiba seiner Zeit voraus, muss auf die Nintendo-Generation warten, die als Erwachsene nach geteilten Bildschirmen verlangt. Aber derzeit: ein verwirrendes Gerät, um 1100 Euro. (spu, DER STANDARD Printausgabe, 18. November 2010)

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