"Nachtschicht" im ZDF

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Von den Verbrechen anderer Leute Abstand zu halten, aber doch irgendwie mit dabei zu sein, das ist der Reiz am Krimi. Ein wenig mehr als das übliche knallharte Recherchieren in riskanten gesellschaftlichen wie topografischen Zonen bieten die jeweils auf Spielfilmlänge ausgedehnten Folgen der Reihe "Nachtschicht" von Lars Becker im ZDF.

Hier müht sich ein Kommissarenteam im Kriminaldauerdienst ab, Fälle aus Hamburg und Umgebung in ölig-finsterer Nacht (also bis zum Morgengrauen) ohne größere Verluste gelöst zu kriegen. Hinter der Neo-Noir-Optik mit schön fotografierten Bildern, auf denen sogar ein nächtlich beleuchtetes Schönheitsklinikum ungeahnte Heimeligkeitsgefühle auslöst, rückt die Story allerdings in den Hintergrund. Die neue Folge, Das tote Mädchen, Donnerstag auf ZDF neo, sowie am Montag auf ZDF, handelt von Dicki, Marcella und Dr. Friedrich Otto Winterstein sowie zwei jungen Mädchen aus Nowokusnezk, die im gehobenen Escort-Geschäft leider mit den schlechten Manieren gestresster Aufsichtsräte konfrontiert werden.

Szenen in Luxusvillen und Opernhäusern werden dabei lange ausgekostet, ohne die Erzählstränge wirklich voranzutreiben. Von billigen dramaturgischen Zuspitzungen wie russischem Roulette einmal ganz abgesehen. Die Unentschlossenheit in puncto Genre - verlängerter Krimi oder krimineller Spielfilm - macht das Ganze nicht einfacher. Im Windschatten der Vorzeige-Serie "Im Angesicht des Verbrechens" von Dominik Graf werden es ambitionierte Formate wie dieses auf längere Sicht nicht ganz einfach haben. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD; Printausgabe, 18.11.2010)