Für die Entwicklung und Produktion von Diagnostika von Roche in Graz läuft der Countdown.

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Der Pharmakonzern Roche will bis Ende 2013 die Entwicklung und Produktion des Blutgas- und Elektrolysegeschäfts von Graz in die Schweiz transferieren. Betroffen sind 400 Mitarbeiter, die Ersten trifft es nach Ostern.

Wien/Graz/Basel – Das vom Schweizer Pharmakonzern Roche (Tamiflu) angekündigte milliardenschwere Sparprogramm hat massive Auswirkungen auf Österreich. Bis Ende 2013, so sieht es die Konzernstrategie in Basel vor, soll die Niederlassung in Graz schrittweise geschlossen werden. Davon betroffen sind 400 Mitarbeiter, die am Mittwochnachmittag informiert wurden. Am Roche-Standort in Wien werden in der Sparte Pharma etwa 20 Arbeitsplätze wegfallen.

Der Bereich Entwicklung und Produktion von Diagnostika, den Roche seit vielen Jahren in Graz konzentriert hat, soll nach Rotkreuz in die Schweiz verlagert werden. Dort befindet sich der Hauptsitz der Geschäftssparte Professional Diagnostics.

Für die Steiermark ist das ein besonders schwerer Schlag, weil Roche Diagnostics ein wichtiger Teil des lokalen Humantechnologieclusters ist. Das Gebäude auf den Grazer Reininghausgründen gehört Roche. Was damit nach der Schließung geschieht, ist noch unklar.

Die erste Welle an Kündigungen am steirischen Standort werde es frühestens im zweiten Quartal 2011 geben, betont das Unternehmen. "Für uns alle kommt das plötzlich und überraschend", sagte Unternehmenssprecherin Nicole Gorfer dem Standard. "In weiterer Folge wird man auch über Sozialpläne sprechen und versuchen, eine faire Lösung zu finden." Viele Mitarbeiter seien schon seit langem für das Unternehmen tätig.

Während die lokale Vertriebsorganisation (Roche Diagnostics GmbH in Wien) von dem geplanten Stellenabbau nicht betroffen ist, sieht es bei Roche Pharma in Wien-Floridsdorf anders aus. Der Abbau von 20 Stellen ab 2012 habe mit dem anvisierten konzernweiten Rückzug aus der Direktbewerbung von Arzneimitteln bei Allgemeinmedizinern zu tun. Das wiederum sei eine Folge von Patentabläufen, die in nächster Zeit anstünden. Derzeit beschäftigt Roche Pharma 170 Mitarbeiter, 20 davon in dem vom Rückzug betroffenen Bereich. "Wir versuchen, das durch Nichtnachbesetzen natürlicher Abgänge abzufedern", sagte Gorfer.

Kritik an der Absiedlung gab es vonseiten der steirischen Arbeiterkammer. Präsident Walter Rotschädl will, dass eine Rückzahlung von Förderungen geprüft wird, die in der Vergangenheit an den Pharmakonzern geflossen sind. Er bezeichnete die Vorgangsweise von Roche als "kaltschnäuzig".

Global will Roche bis 2012 insgesamt 4800 Stellen abbauen. Damit soll Rückschlägen im Medikamentengeschäft und staatlichen Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich entgegengesteuert werden. Wie der Konzern am Mittwoch in Basel mitteilte, soll das Programm jährliche Einsparungen von 2,4 Mrd. Schweizer Franken (1,8 Mrd. Euro) bringen.

Weitere Jobs werden konzernintern verschoben und an Drittunternehmen ausgelagert, sodass insgesamt 6300 Beschäftigte von den Maßnahmen betroffen sein werden. An der Börse in Zürich stiegen die Roche-Genussscheine nach der Ankündigung um 1,8 Prozent. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2010)