Innsbruck - Der Gemeinderat der Stadt Lienz hat Dienstagabend die Restitution eines Bildes des Osttiroler Malers Albin Egger-Lienz abgelehnt. Bei drei Stimmenthaltungen sprachen sich zehn Mandatare gegen und acht für eine Rückgabe aus, erklärte der Lienzer VP-Bürgermeister Johannes Hibler. Das Werk "Die Wildbrethändlerin" werde somit nicht an die Erben nach Lothar Egger-Möllwald restituiert, wie von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) gefordert.
Die IKG hat in einem an die Stadt Lienz gerichteten Anwaltsschreiben die Rückgabe der beiden Werke "Die Wildbrethändlerin" und "Die Christnacht" verlangt. Reagiere die Stadt bis zum 19. November nicht, werde geklagt. In der Causa "Wildbrethändlerin" hatte der Stadtrat gemeinsam mit dem Kulturausschuss der Stadt vergangenen Mittwoch beschlossen, den Gemeinderat entscheiden zu lassen.
In der Causa "Christnacht" will die Stadt mit der Erbin in Kontakt treten, da kein "einziger persönlicher Hinweis" vorliege, dem entnommen werden könne, dass Irmgard Neumann das Bild restituiert haben möchte. Die beiden Werke befinden sich im Bestand der Egger-Lienz-Galerie in Schloss Bruck. Das Museum beherbergt nach eigenen Angaben die größte Werkssammlung des österreichischen Malers neben dem Leopold Museum Wien und dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck.
IKG kritisiert Entscheidung
Die IKG hat am Mittwoch die Entscheidung der Stadt Lienz kritisiert: "Ich bin davon überzeugt, dass der Gemeinderat nicht die richtigen Informationen hatte", sagte die Restitutionsbeauftragte der IKG, Erika Jakubovits. "Ich werde mir das Protokoll der Sitzung besorgen und dann die Faktenlage klarstellen", erklärte Jakubovits. Indes werde sie die Erben nach Lothar Egger-Möllwald über die Entscheidung informieren und mit ihnen besprechen, was weiter zu tun sei. Generell habe Jakubovits das Gefühl, "dass man in Österreich nicht mehr restituieren möchte". Es habe sich offensichtlich die Ansicht durchgesetzt, "dass man seine Schuldigkeit getan habe".
Den Wunsch der Stadt, im Fall der "Christnacht", vor einer etwaigen Restitution mit der Erbin in Kontakt zu treten, könne Jakubovits nicht nachvollziehen. Zum einen sei die Erbin eine ältere Dame, zum anderen gehörten restitutionswürdige Bilder zurückgegeben, unabhängig davon, wer der Erbe sei. Irmgard Neumann habe der IKG eine Vollmacht erteilt. Daher bestehe kein Grund, warum die Frau mit der Stadt in Kontakt treten sollte.
Auch die Tiroler Grünen haben sich am Mittwoch zu Wort gemeldet und Rechtssicherheit bei der Restitution in Tirol gefordert. Eine rechtliche Grundlage würde eine Einzelfallentscheidung "viel leichter" machen, argumentierte der Landtagsabgeordnete Gebi Mair. Die Diskussion und anschließende Nicht-Restitution von NS-Raubgut in Lienz bezeichnete er als "unwürdiges Schauspiel".
Vorgeschichte der Gemälde
Bürgermeister Hibler hatte im Vorfeld geäußert, dass im Fall der "Wildbrethändlerin" nach wie vor einige Details im Unklaren seien: Das Bild wurde erst 1961 von der Stadt Lienz gekauft, nachdem es 1949 von einer unbekannten Privatperson im Dorotheum ersteigert wurde. Aufklärungsbedürftig sei daher unter anderem, wer das Gemälde im Dorotheum eingebracht habe und wie es in den Kriegswirren aus den Händen seines Besitzers Lothar Egger-Möllwald geraten sei. Die IKG stehe aber auf dem Standpunkt, dass im "Zweifelsfall zu restituieren" sei.
Die "Christnacht" wurde 1938 von Therese Neumann zu "einem Experten zufolge angemessen Preis" an die Stadt verkauft, erklärte Hibler. Damals habe Neumann in einem Brief an die Stadt geschrieben, dass sie "Wert darauflegt, das Bild in ihrem Museum (der Stadt, Anm.) zu wissen". Unmittelbar nach dem Krieg habe Neumann kein Restitutionsbegehren gestellt, obwohl sie genau gewusst habe, wo sich das Gemälde befand. Bisher sei lediglich die IKG als Vermittler aufgetreten. "In Sachen 'Die Christnacht' liegt uns kein einziger persönlicher Hinweis von Irmgard Neumann vor, dem wir entnehmen können, dass sie das Bild restituiert haben möchte", argumentierte Hibler. (APA)