Gabriele Lukacs klettert am liebsten in die dunklen Keller Wiens.

Foto: Julia Schilly/derStandard.at

Eine Grabplatte aus dem 18. Jahrhundert - im Deutschordenshof.

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Die Blutgasse in der Inneren Stadt gibt schon durch ihren Namen Anlass zu grausamen Spekulationen.

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Die Führungen von Gabriele Lukacs finden bei Dunkelheit statt - doch auch bei Tageslicht wirken manche Orte Wiens unheimlich.

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Viele Bodenplatten in der Inneren Stadt sind ehemalige Grabsteine - rund um den Stephansplatz wandelt man über den alten Friedhof der Stadt.

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In der Augustinerstraße 12 soll die "Blutgräfin" ihr Unwesen getrieben haben.

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Laut Lukacs ist es eine "Schande, dass jeden Tag durch Sanierungsarbeiten unheimliche Keller verloren gehen".

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In Großbritannien hat jedes Schloss und jede Burg seinen eigenen Poltergeist und auch in Osteuropa erzählt man sich die gruseligen Vampir- und Hexensagen. Obwohl man den Wienern eine Vorliebe für Morbides nachsagt, kennt man die unheimlichen Geschichten der Stadt nicht so gut. In ihrem Buch "Unheimliches Wien" ist Gabriele Lukacs gemeinsam mit dem Fotografen Robert Bouchal diesen auf den Grund gegangen und bietet zusätzlich Stadtführungen an die schaurigen Schauplätze an.

Im Deutschordenshof nahe dem Stephansdom sind noch die Reste des alten Friedhofs zu erkennen. Die schönsten und ältesten Grabplatten fungieren hier als Wandschmuck oder Bodenplatten. "Viele wissen nicht, dass sie hier auf Gräbern spazieren gehen", erzählt Lukacs und beginnt sogleich die erste "Schauergeschichte". So hätten die Leute im 18. Jahrhundert ihre Toten maximal in 70 Zentimeter Tiefe vergraben und so wäre es normal gewesen, dass Hunde die frischen Leichen ausgruben und mit den Knochen im Maul durch die Stadt liefen.

Angst vor lebendigem Begräbnis

Das hätte die Wiener das Fürchten gelehrt. Doch noch stärker war die Angst davor, lebendig begraben zu werden. Laut Lukacs gab es im Jahr 1904 insgesamt 150 lebendig Begrabene, die sich aus den Särgen befreien konnten, und 220, die noch vor dem Begräbnis wieder erwachten. Wie viele tatsächlich umkamen, ist nicht bekannt.

Aber beim U-Bahn-Bau wurden schließlich am Minoritenplatz Skelette gefunden, die mit dem Rücken nach oben und Knie und Ellbogen nach unten gestemmt, lagen. "Das deutet darauf hin, dass sie im Sarg erstickt sind und bei ihrer Beerdigung noch nicht tot waren", erklärt Lukacs.

Recherche in Sagenbüchern

Für ihr Buch hat die hauptberufliche Fremdenführerin Sagen und Mythen über Wien recherchiert. "Ich mache schon seit zehn Jahren eine Vampirführung und weil die so gut angekommen ist, wollte ich das Programm erweitern", sagt Lukacs. Dabei sei sie darauf gekommen, dass es so gut wie keine Gespenstergeschichten über Wien in geschriebener Form gebe. "Nachdem ich dann die Sagen nachgeschlagen hatte, bin ich mit meinem Fotografen an die Schauplätze gefahren und habe überprüft, ob es das beschriebene Haus überhaupt noch gibt", so die Fremdenführerin.

Henkerswohnung neben Mozarthaus

Und eines dieser Häuser steht in der Rauhensteingasse Nummer 10. Wo heute eine Boutique ihre Räumlichkeiten hat, war seit 1422 das Untersuchungsgefängnis von Wien mit eigener Henkerswohnung. "Es war unüblich, dass der Henker seine Unterkunft in der Stadt hatte, aber die Wiener waren eben schon immer morbid", erzählt Lukacs und lacht. Außerdem sei der Henker ein angesehener und reicher Mann gewesen, habe er doch für die Versorgung der Bevölkerung mit Heilutensilien gesorgt. So verkaufte er Menschenschweiß und - fett an Apotheken und Privatpersonen.

Nur ein Haus weiter, Rauhensteingasse 6, steht jenes Haus, in dem Mozart 1791 starb. Die unheimliche Geschichte im Zusammenhang mit dem Komponisten kennen die meisten aus dem Schulunterricht. Ein "grauer Bote" (Zeichen für baldigen Tod) soll bei Mozart ein Requiem in Auftrag gegeben haben. "In der Sekunde" des Auftrags soll sich das ehemalige Wunderkind krank gefühlt und deshalb sein Werk auch nie vollendet haben.

Prostituiertenmord durch einen Vampir?

In einer Seitengasse der Kärntnerstraße befindet sich das Hotel Römischer Kaiser. Es soll 1913 der Schauplatz eines grausamen Prostituiertenmordes gewesen sein. Das Skurrile daran: Es wurden am Hals der erwürgten Dame Bissspuren gefunden. Zwar habe man ihren letzten Freier ausfindig machen können, doch soll dieser schon Teil der Fremdenlegion gewesen und nicht mehr ausgeliefert worden sein. Für das Buch wollte Frau Lukacs das Zimmer Nummer 18 fotografieren, in dem sich die Gewalttat abgespielt haben soll. An der Rezeption habe man ihr aber erklärt, dass das Hotel zwar 24 Zimmer, aber keines mit der Nummer 18 habe.

Massenmörderin in Wien

Apropos Morde: In Wien soll die grausamste Serienmörderin aller Zeiten, die ungarische Gräfin Erzsébet Báthory, gelebt haben. In der Augustinerstraße 12, im ersten Wiener Gemeindebezirk. Insgesamt 613 junge Mädchen soll die "Blutgräfin" auf dem Gewissen haben - viele davon soll sie in Wien ermordet haben. Es wird ihr nachgesagt, dass sie in deren Blut badete, um ihre jugendliche Schönheit zu erhalten. Eine Vielzahl der Leichen habe sie dann einfach über die Stadtmauer, die im 17. Jahrhundert direkt vor ihrem Haus verlief, geworfen. Die Wiener hätten einige der Leichen gefunden, und Angst vor einem mordenden Vampir bekommen, da alle Körper blutleer waren.

Gabriele Lukacs selbst klettert am liebsten in die unzähligen Keller der Hauptstadt und erkundet dort das unterirdische Wien: "Nur leider verschwinden durch Sanierungen und Neubauten jeden Tag Keller und damit gruselige Orte in der Stadt." (Bianca Blei, derStandard.at, 17.11.2010)