Im Personalgerangel der ÖVP rund um den Wechsel von Christine Marek nach Wien ist ein Entscheidung mit Symbolcharakter in den Medien untergegangen: Die Unternehmerin Isabella Leeb wurde als nicht amtsführende Stadträtin von Verkehrssprecher Wolfgang Gerstl abgelöst.

Leeb ist Baumeisterin und kam vor zwei Jahren als Quereinsteigerin in die Politik: Sie hat sich seither als weltoffen, liberal, eloquent und unabhängig in der Präsentation ihrer Standpunkte erwiesen, eine echte Hoffnungsträgerin für die geschrumpfte Stadtpartei.

Ihr Schwachpunkt: Sie kommt aus dem Wirtschaftsbund, der nicht nur in der Wiener ÖVP, sondern auch in der Bundespartei immer weniger zu sagen hat.

Gerstl vertritt den ÖAAB, und seine Ernennung komplettiert die Übernahme der Wiener ÖVP durch den größten, aber auch strukturkonservativsten der Parteibünde. Dass Leeb mit einer Kampfabstimmung Gerstl beinahe besiegen konnte, zeigt, dass dieser Kurs auf Widerstand stößt. Aber das ändert nichts am Ergebnis.

Auch in den anderen Bundesländern hat entweder der ÖAAB oder der Bauernbund das Sagen, und im Kabinett sind die einzigen Wirtschaftsbund-Vertreter Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der im Moment eher als Oberösterreich-Lobbyist auftritt (Stichwort Linzer Westring) und Innenministerin Maria Fekter, von deren Affinität zur Wirtschaft rein gar nichts mehr zu merken ist.

Die Staatssekretäre Lopatka und die neue Familienstaatssekretärin Verena Remler sind ÖAABler. Bleibt Klubchef Karl-Heinz Kopf als Sprecher für gewisse unternehmerische Standpunkte.

Die ÖVP war einmal (auch) eine Wirtschaftspartei, aber sie ist es nicht mehr. Das schadet nicht nur manchen Wirtschaftsinteressen, sondern schränkt auch den Horizont der Partei ein. Denn wer in der ÖVP Weltoffenheit und liberale Ideen, etwa in der Einwanderungspolitik, sucht, der findet sie am ehesten dort.

So mutig manche Ansagen von Wirtschaftsbundchef Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, in der Ausländer- oder Bildungspolitik auch sind, parteiintern erweist er seiner Sache keinen guten Dienst, sondern lässt sich immer mehr an den Rand drängen.

Es gibt auch keine Alternativen: Die SPÖ war unter Franz Vranitzky und Viktor Klima viel wirtschaftsfreundlicher, als sie es heute ist. Selbst Alfred Gusenbauer zeigte mehr Interesse an ökonomischen Themen als Werner Faymann. Die jüngsten Aussagen der Parteispitze zur Bankenabgabe zeugen von erschreckendem wirtschaftlichem Unverständnis.

Beim BZÖ sind die Ankündigungen eines wirtschaftsliberalen Kurses immer nur leere Worte, denn die Partei bleibt dem Rechtspopulismus ihres Gründers Jörg Haider verhaftet. Die Grünen haben ein Gefühl für innovative Wirtschaftsthemen, verfallen aber immer wieder in altmodische Sozialromantik. Über die FPÖ muss man gar nichts sagen.

So steht das Land in einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit und Herausforderungen mit einer politischen Kaste da, der Unternehmertum und Wirtschaftsthemen ziemlich gleichgültig sind. Kein Wunder, dass es immer die Beamten und Pensionisten sind, die sich mit ihren Interessen durchsetzen.