Kurator Hans Ulrich Obrist.

Foto: Standard/Heribert Corn

Wien - Was macht einen Sammler zum Kunstmäzen, und kann sein Engagement aus öffentlicher Perspektive als förderlich und nachhaltig betrachtet werden? Daran scheiden sich die Geister. Über die private Wiederkehr der Auftragskunst und die Rolle des Kunstmäzens diskutiert man daher auch auf einem Podium der Vienna Art Week, interessanterweise organisiert von einer Sammlerin: Francesca Habsburg. Ihre Kunststiftung tba-21 will nun das Gebäude der temporären Kunsthalle Berlin (der Standard berichtete) nach Wien holen. - Aber was macht gutes Mäzenatentum aus?

"Wenn wir die Zukunft erfinden, erfinden wir sie oft aufgrund von Fragmenten der Vergangenheit": Erwin Panofsky zitierend, schlägt Hans Ulrich Obrist, Direktor der Londoner Serpentine Gallery, vor, man müsse, um zu lernen, auf Modelle zurückschauen, die sich bewährt haben: auf die De Ménil Foundation von Dominique de Ménil in Houston und die Dia Art Foundation in New York.

1931 heiratete die Erdöl-Erbin Dominique Schlumberger den französischen Adeligen Jean de Ménil; in der NS-Zeit emigrierte das Paar in die USA. Die Sammlung ihres 1973 verstorbenen Mannes gilt heute als die weltweit größte Kunstsammlung; öffentlich gemacht in der De Ménil Collection. Sie und Walter Hopps, einer der großen Museumskuratoren seiner Zeit, bildeten in den 1980er-Jahren ein "winning team".

"Kunst ist Beschwörung. Sie führt wie die Jakobsleiter zu höheren Realitäten, zu Zeitlosigkeit, ins Paradies", sagte de Ménil. Einzelne Künstler profitierten von ihrer Leidenschaft: Mark Rothko baute sie eine Kapelle, Cy Twombly ein ganzes Museum. Die öffentliche Hand hätte schwer einem einzigen Künstler ein Museum bauen dürfen.

De Ménil kam es auf Vertiefung und Langfristigkeit an. Sie wie auch Tochter Philippa de Ménil, die 1974 die Dia Art Foundation gründete, sorgten dafür, dass ihre Initiativen die nächsten Generationen überdauern werden. "Bei Dia Art ging es aber nicht mehr um das Sammeln von Objekten, sondern darum, riesige Projekte eines erweiterten Kunstbegriffes zu ermöglichen", so Obrist. Etwa Walter De Marias Lightning Fields (1977) oder 7000 Eichen von Joseph Beuys 1982 in Kassel.

Ihre Initiativen sind "komplementär zu öffentlichen Institutionen". Diese brauche es freilich weiterhin, sagt Obrist. "Für mich war Harald Szeemanns Kunsthaus in den 1980er-Jahren wichtiger als Gymnasium und Universität zusammen. Wenn die Politik aufhört, dynamische Museen zu unterstützen, ist das, als ob man Universitäten zerstört." Eine ganze Generation Schweizer - Kuratoren, Architekten, Schriftsteller - wäre ohne diese visionären Ausstellungen nicht groß geworden. "Die Polyphonie öffentlicher und privater Institutionen ist wichtig."

Zu klären sei, was es denn heute Vergleichbares zu de Ménil und Dia gäbe. "Gleichzeitig frage ich mich: Was kann heute das Szeemann'sche Kunsthaus sein oder das Stedelijk Museum der 1960er-Jahre, das unter Willem Sandberg ein totales Kraftwerk war? Wo können in öffentlichen Häusern plötzlich dynamische Labors entstehen, die ganze Generationen beeinflussen? Es geht nicht nur um gute Ausstellungen und Programme, sondern um ein Energiefeld, ein Intensitätsfeld, das Leute verändert. Wo haben wir so ein öffentliches Kraftwerk?" (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 15. November 2010)