Wien bekommt seine erste rot-grüne Koalition.

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Maria Vassilakou und Michael Häupl wollen dezidiert keine "Ehe" eingehen sondern gut zusammenarbeiten. Häupl dazu: "Wir befriedigen unsere emotionellen Bedürfnisse sicherlich anderswo."

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Die Vorsätze von Rot und Grün.

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SPÖ und Grüne haben sich in Wien nach rund zweieinhalb Wochen intensiver Verhandlungen auf einen gemeinsamen Koalitionspakt geeinigt. Die Vereinbarung wurde heute im Rathaus von Bürgermeister Michael Häupl und der Grünen Klubobfrau Maria Vassilakou gemeinsam präsentiert. Gleich zu Beginn der Pressekonferenz sorgte Häupl für Amusement. Vassilakou betrat den Steinsaal 1 durch den vorderen Eingang. Der Bürgermeister schlich hingegen unbeobachtet von Kameras beim hinteren Eingang in den Raum.

Einige Eckpunkte aus dem Koalitionsabkommen:

Unter dem Titel „"Gemeinsame Wege für Wien"“ präsentierten Häupl und Vassilakou einige Eckpunkte, die sie zwischen 2010 und 2015 verwirklicht haben wollen. Die laufend aktualisierten Fakten und Details zum Koalitionsprogramm finden Sie hier. Die Neuerungen für Wien, die durchaus auch schon grüne Handschrift tragen: ein Ausbau der „Green Jobs“ und des Umwelt-Clusters, mehr kostenlose W-Lan Hotspots. Um die Integration zu fördern soll eine „"Wiener Charta des Zusammenlebens"“ formuliert werden, die durch eine breit angelegte Kampagne bekannt gemacht werden soll. Jeder Neuzuwanderer muss mit der Stadt Wien den sogenannten "„Wiener Vertrag" eingehen“, der sowohl Rechte als auch Pflichten der Wienerinnen und Wiener beinhaltet.

Alle weiteren Ressortzuteilungen sowie den genauen Wortlaut der Koalitionsvereinbarung will das neue rot-grüne Regierungsduo erst kommende Woche verkünden. Eines steht schon fest: Es gibt in Zukunft 12 Stadträte, die SPÖ verliert also einen Posten. Renate Brauner und Maria Vassilakou werden Vizebürgermeisterinnen. Im Bereich der sozialdemokratischen Stadträte werde es, so Häupl, keinen Wechsel geben. Was mit Rudolf Schicker passiert, dessen Ressort Vassilakou "geerbt" hat, wird erst am Montag entscheiden. Die Wiener ÖVP hat Wolfgang Gerstl als nichts-amtsführenden Stadtrat nominiert. (mehr dazu hier)

Van der Bellen bleibt Nationalrat

Wie derStandard.at außerdem erfuhr, wird Alexander Van der Bellen nicht in den Wiener Gemeinderat wechseln. Er wird im Nationalrat bleiben und zusätzlich ehrenamtlicher Wissenschafts- und Universitätsbeauftragter der Stadt Wien. Er ist in dieser Position dafür zuständig, den Kontakt zwischen den Unversitäten und der Stadt zu verbessern. Häupl: "Es freut mich sehr, dass er dieses Angebot angenommen hat".

Wie derStandard.at gestern exklusiv berichtete, übernimmt Maria Vassilakou ein Riesenressort: Sie geht als Planungs- und Verkehrsstadträtin in die Koalition, in ihre Zuständigkeit fallen aber auch die Klimaschutz- und Energieagenden. Häupl: "Das war in der Vergangenheit ein bedeutendes Ressort und ist in Zukunft ein vielleicht noch bedeutenderes". Vassilakou dazu: "Klimaschutz wird zur Chefsache in Wien". Die neue Vizebürgermeisterin nannte als Beispiel für ihre Vorhaben im Verkehrsbereich etwa die Erhöhung des öffentlichen Verkehrsanteils auf 40 Prozent und des Radfahreranteils auf zehn Prozent. Ein 100-Euro-Ticket, wie von den Grünen gefordert, wird es nicht geben, aber eine Tarifreform der Wiener Linien. Eine eigene Taskforce werde verschiedene Tarif-Modelle erarbeiten, die soziale Gerechtigkeit solle dabei im Mittelpunkt stehen. Konkret heißt das zum Beispiel, dass eine pensionierter Arbeiter einen anderen Tarif zahlt als ein pensionierter Sektionschef. Außerdem kündigte die Grünen-Chefin eine Reform der Parkraumbewirtschaftung an.

Sowohl Häupl als auch Vassilakou betonten das gute Gesprächsklima in den Koalitionsverhandlungen. Natürlich, so Häupl, werde es etwa im Bereich Individualverkehr hohen Diskussionsbedarf geben. Aber er wolle lieber ab und zu über eine einzelne Straße streiten als dauernd über die gesamte Bildungspolitik, begründete er seine Entscheidung für die Grünen und gegen die ÖVP. Ein Streitpunkt bleibt weiter der Lobautunnel, der dem Vernehmen nach zunächst einmal bis 2016 aufgeschoben werden soll, nicht zuletzt wegen der Wirtschaftskrise. Sollte man sich darüber langfristig nicht einigen, kann sich Häupl auch eine Volksbefragung dazu vorstellen.

Die nächsten Tage

Am Sonntag muss die Basis der Grünen in der Landesversammlung ihr Votum für - oder gegen - die Koalition abgeben. Die SPÖ lässt sich die Regierungspartnerschaft am Montag von ihrem größten politischen Gremium, dem "Wiener Ausschuss", absegnen. (az, seb, edt, derStandard.at, 11.11.2010)