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Der türkische Diplomat Tezcan räsonierte als "jemand, der seit einem Jahr in Wien lebt" über das oft schwierige Verhältnis zwischen seinen Landsleuten und den Österreichern - mit deutlichen Folgen.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Mehr hat es nicht gebraucht. Fast zwei Seiten lang räsonierte Kadri Ecved Tezcan, der türkische Botschafter in Wien, in der Presse über das oft schwierige Verhältnis zwischen seinen Landsleuten und den Einheimischen - und schon löste der 61-Jährige damit eine handfeste diplomatische Krise aus. Vom Kanzler abwärts regen Tezcans Aussagen über Kopftücher, Ghettos und die verfehlte Integrationspolitik von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) das offizielle Österreich auf (siehe Zitiert am Ende des Artikels). Für Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) sind die Ansichten des Diplomaten "unangemessen" und "inakzeptabel".

Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hat bei seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu telefonischen Protest eingelegt, dazu wurde der Botschafter ins Außenamt zitiert. Innenministerin Fekter - laut Eigenangabe "erzürnt" - erklärte die Statements des Botschafters zu "einer unglaublichen Entgleisung", es sei "unwürdig, sein Gastland so zu attackieren". "Unzulässig", urteilte auch Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP). Von "pauschaler Verurteilung" der Österreicher sprach SPÖ-Klubchef Josef Cap.

Teile der Opposition für härteres Vorgehen

Teile der Opposition treten längst für ein härteres Vorgehen gegen den türkischen Repräsentanten ein. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verlangt den Abzug Tezcans samt offizieller Entschuldigung der türkischen Regierung. Vorarlbergs FPÖ-Landeschef Dieter Egger meint, Tezcan trete "unser Gastrecht mit Füßen und wäre in seiner Heimat besser aufgehoben". BZÖ-Chef Josef Bucher setzt sich gar für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara ein.

Auch Hans Winkler, der Direktor der Diplomatischen Akademie, qualifiziert die Wortwahl von Tezcan als "scharf, unhöflich und unüblich" gegenüber Vertretern eines anderen Landes.

Grünen: "Reaktionen überzogen"

Einzig die Grünen halten die Reaktionen für "überzogen". Bundesrat Efgani Dönmez, selbst in der Türkei geboren, meint, dass der Botschafter eben "den Finger auf wunde Punkte" im Umgang mit Zuwanderern gelegt habe. Dönmez plädiert daher dafür, die Aussagen des Botschafters "nicht zum Anlass für eine Diskussion über diplomatische Formalitäten" zu nehmen, sondern "endlich Klartext zu reden" - etwa über anstehende Reformen für eine bessere Integration. Ähnlich die Integrationsbeauftragte der Grünen, Alev Korun, die ebenfalls türkische Wurzeln hat: Der Ton des Diplomaten sei zwar an einigen Stellen "zu pauschalisierend", aber: Auch sie sieht darin einen Anstoß, Tacheles zu reden, um "von den ewigen Holschuld und Bringschuld-Debatten wegzukommen".

Botschafter Tezcan selbst rechtfertigt sein Vorgehen damit, nur auf "ungerechte und fehlerhafte" Zustände bei der Integration hinweisen zu wollen - dafür habe er eben konkrete Beispiele genannt. (nw, juh, DER STANDARD-Printausgabe, 11.11.2010)