An der Uferfront vor dem Kempinski - das Luxushaus zieht derzeit hauptsächlich Businessgäste an. Bei Kälteeinbruch soll man hier auch eislaufen können.

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Ein Wochenende Wellnessen würde sich auch für Wiener anbieten wirbt Kempinski-Marketing-Mann Stecher.

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Die neue Uferfront ist freundlich. Die angesiedelten Cafés und Restaurants werden auch von Einheimischen offenbar gerne frequentiert.

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Das Eurovea-Entrée: Eiförmig und ganz großstädtisch. Österreicher kommen kaum hierher einkaufen, denn die Preise sind um einiges höher, als in Wien.

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In der Altstadt: Hier wird bereits Hand angelegt, um den Weihnachtsmarkt aufzubauen.

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Das Badezimmer der Präsidentensuite - ein Kleinod mit Achat und Gold am Boden.

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Bratislava - Die Hoteliers in der Slowakei erleben heuer ein schwarzes Jahr. Im ersten Halbjahr 2010 waren die Hotels nur zu knapp 22 Prozent ausgelastet, berichtete die slowakische Tageszeitung "Hospodarske noviny" jüngst in ihrer Online-Ausgabe. Ausgeblieben seien vor allem ausländische Touristen. Wer durch die slowakische Hauptstadt schlendert, hat allerdings kaum den Eindruck, dass es an Gästen mangelt. Plätze, Straßen und Einkaufsmeilen sind bevölkert. Auch die Zahl der Baustellen scheint sich nicht zu verringern. Die Stadt hat im Zuge der Krise nur kurz innegehalten. Allein im letzten Halbjahr wurden einige bemerkenswerte Großprojekte ihrer Bestimmung übergeben.

Modern Shoppen und Wohnen

Das Einkaufs-, Appartment- und Bürozentrum Eurovea wurde etwa nach fünfjähriger Bauzeit ins Rennen um die Gunst der Shopping-, Wohn- und Arbeitswilligen geschickt. 450 Millionen Euro wurden investiert, um hier quasi ein eigenes Stadtviertel auf einer Fläche von fast einer Viertel Million Quadratmetern zu errichten. 24.500 Quadratmeter Büroflächen, 55.000 Quadratmeter Shopping-Meile und 235 Luxuswohnungen - wo der irische Investor Ballymore Hand anlegt, wird nicht gegeizt. Am Ufer der Donau zeigt der moderne Komplex nach außen hin mit seinem eiförmigen Entrée Gesicht. Innen bietet das Shopping-Center auf lichtdurchfluteten Etagen, was andere Einkaufszentren auch haben. Vor allem internationale Textilketten haben sich hier eingemietet. "Die Flächen waren gleich von Beginn an zu 99 Prozent vermietet", sagt Mike de Mug von Ballymore.

Mittlerweile haben allerdings einige Mieter wieder das Handtuch geworfen. Offen ist hier sieben Tage die Woche. Österreicher sind im Einkaufszentrum dennoch eher spärlich vertreten. Der Hauptgrund dürften die um 20 bis 30 Prozent höheren Preise sein, die zum Beispiel für Oberbekleidung zu berappen sind. Die Iren scheinen darüber nicht unglücklich zu sein, sind doch die Einheimischen ganz offensichtlich konsumhungrig genug, um für ausreichend Besucherverkehr zu sorgen. 250.000 Besucher wöchentlich werden hier durchgeschleust. Von den Luxuswohnungen stehen allerdings einige leer. Auch wenn man inzwischen mit dem Preis deutlich hinuntergegangen ist, wie de Mug sagt. 8.500 Euro pro Quadratmeter für eine bezugsfertige Wohnung hatten Interessenten vor der Krise auf den Tisch zu blättern, jetzt sind die Appartements um 5.000 je Quadratmeter - allerdings im Rohzustand - zu haben.

Luxus zu haben

6.000 Luxuswohnungen warten in der gesamten Stadt auf Besitzer, sagt Stefan Slachta. Außerdem harren laut seiner Schätzung rund 1,3 Millionen Quadratmeter Bürofläche neuer Mieter. Viermal mehr, als in einer Stadt mit 430.000 Einwohnern gebraucht werden. Slachta sitzt im historischen Rathaus und ist als Chefarchitekt für die gestalterische Planung der slowakischen Hauptstadt zuständig. Für ihn gilt: "Gott sei Dank kam die Krise. Vieles ist hier überdimensioniert." Der heute 70-Jährige ist wohl ganz froh, wenn er die Probleme der Stadt, die auch mit Wohlstand und Wachstum gekommen sind, einem Nachfolger übergeben kann. Zum Beispiel die veralteten Veranstaltungshallen, die die Bratislaver Bürger lieben und die vielen dennoch als ästhetischer Schandfleck der Stadt gelten, weswegen der eine oder andere sie lieber heute als morgen verschwinden lassen will. Oder der Generalentwicklungsplan, der schon veraltet war, als er - obwohl 1999 fertiggestellt - erst 2007 in Kraft gesetzt wurde. Der nicht die Autolawine berücksichtigt, die täglich am Morgen auf Bratislava zurollt und Abend für Abend die außerhalb der Stadt wohnenden und hier arbeitenden Menschen wieder heimbringt.

Immer neue Projektideen

Immer neue Projektideen legen internationale Investoren auf den Tisch. Internationale Vorbilder in Größenordnungen wie "Manhattan, La Défense oder Las Vegas" schweben über manchen Plänen des Hauptstädchens. Pläne, die in ihren megalomanischen Ausmaßen oft nicht bis ins Letzte durchdacht scheinen - wie das Entertainment-Paradies Metropolis, das von der Immoeast-Beteiligung Trigranit und Harrah's vorangetrieben wurde und derzeit keine Mehrheit im Stadtparlament findet.

Es geht aber auch kleiner, wie das Privatkrankenhaus Medissimo zeigt. In Petržalka, der Plattenbausiedlung, die schon lange vom Einheitsgrau zu attraktiven, bunten Farben gewechselt hat, wurde es von Ex-Slovnaft-Chef Slavomír Hatina um rund 35 Millionen Euro errichtet. Hierher kommt zum Beispiel, wer nicht ein Jahr lang auf eine Mammografie in einem öffentlichen Krankenhaus warten will. Oder wem die Magenoperation in einem britischen Krankenhaus zu teuer ist. Von Zweiklassenmedizin will Medissimo-Öffentlichkeitsmann Martin Horváth aber nichts wissen. "Wir richten uns nicht an Reiche, sondern an die Mittelklasse." Mit unterschiedlichen Versicherungen habe man entsprechende Verträge sagt Horváth: "Da haben wir kein Problem, weil wir billig sind. Das macht Versicherungen immer Freude."

Attraktivität die fließt

Stadtarchitekt Stefan Slachta wohnt selbst in Petržalka. Medissimo ist ihm noch nicht aufgefallen, was vermutlich damit zu tun hat, dass eben Mittelstand ein dehnbarer Begriff ist, vielleicht ist er aber auch einfach nie krank.  Slachta hat aber auch seine Freude. Zum Beispiel an Eurovea. Der Komplex sorge für Belebung des Donauufers. "Früher gab es hier Bassins und Liegeflächen, man konnte hier in den 1950er Jahren baden gehen. Jetzt gibt es hier Platz und Raum zum Flanieren und Entspannen und die Menschen nützen das auch." Tatsächlich sind die Cafés und Restaurant an der sauberen Uferfront freundlich und gut gefüllt.

Die Attraktivität des Flusses machte sich auch die slowakisch-tschechische Investorengruppe J&T zunutze, die am anderen Ende der Innenstadt, unterhalb der Burg, mit dem River Park eine zweite Dominante zeitgenössischer Architektur ans Donauufer setzte. Fünf-Sterne-Lifestyle wird hier propagiert, es gibt Wohnungen und Büros und, als zweites Super-Hotel der Stadt, ein Haus der Kempinski-Gruppe. Hier setzt man auf Businesskunden, weniger auf Touristen und sehr wohl auch auf Österreicher, sagt der 39-jährige Hoteldirektor Konstantin Zeuke, ein Deutscher, der auch den Kempinski-Ableger in der Hohen Tatra aufbaute. Und sein Marketing-Chef, der Österreicher Walter Stecher, der sich seine Sporen in österreichischen Top-Häusern wie dem Grandhotel und dem Hotel Sacher geholt hat, zählt auf, was ein Abstecher inklusive Übernachtung für die Gäste aus seiner Heimat attraktiv machen könnte.

Der große Wellnessbereich inklusive Hallenbad im letzten Stock, eigens geschnürte Wochenendpackages, die auch die Gratisfahrt im hauseigenen Rolls-Royce zur 800 Meter entfernten Altstadt beinhaltet, der morgendliche Brunch und die Preise, die unter den vergleichbaren in Österreich liegen. Der ganze Stolz des Hauses wird allerdings nicht mit dem Preis beworben. Kein Wunder: Für die über 300 Quadratmeter große Präsidentensuite fallen 10.000 Euro pro Nacht an. Belohnt wird, wer hier wohnt mit Seidentapeten, Rosenholz- und Achatböden, Goldplättchen im großzügigen Badezimmer, Speise- und Ankleidezimmer und Muranoglas an den Wänden. Hauseigenes Servierpersonal müsste fast zwei Jahre dafür arbeiten, um sich dieses Vergnügen für eine Nacht leisten zu können.

Wohnungsbau für Private fehlt

Mit der Leistbarkeit des seit der Wende eingekehrten Wohlstandes ist das überhaupt so eine Sache. Viele Junge ziehen hier weg, weil sie sich vor allem die Preise am freien Wohnungsmarkt nicht leisten können, zum Beispiel über die Grenze in nahegelegene österreichische Gemeinden wie Kittsee, Wolfsthal oder Hainburg. "Wohnungsbau für Private fehlt", sagt Stadtarchitekt Slachta. Und die Luxusmieten sind für den Durchschnittsverdiener - ein monatliches Durchschnittssalär liegt in Bratislava bei rund 1.000 Euro - wohl noch lange unbezahlbar. Dabei hat Eurovea-Investor Ballymore laut Manager Mike de Mug durchaus noch Großes vor: "Wir haben ein Grundstück gekauft, das noch einmal so groß ist wie Eurovea. Wir können den Komplex in den nächsten Jahren spiegeln. Die ersten Gespräche laufen schon." (Regina Bruckner, derStandard.at, 11.11.2010)