Im Frühling fuhren wir mit dem Lexus bei der Villa Chiopris vor, sommers in unseren Waldungen, winters davor machten wir auf imperial.

Foto: Stockinger
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Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde – hätte Rilke da vielleicht gesagt.

Foto: Stockinger
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Informationen:
Lexus

Grafik: DER STANDARD

Einmal Quattro stagioni, bitte. Vivaldi, Pizza, Dauertest? Hier geht's nur um Letzteres, Gehör- und Geschmacksnerven bitte gleich wieder deaktivieren, dafür Sehsinn in Betrieb lassen. Lexus RX 450h. Wir hatten ein Jahr lang das Vergnügen, den noblen japanischen Alleskönner auf Herz und Nieren zu prüfen und auf eventuelle Alltagsschwächen abzutesten.

Wobei gleich hinzugefügt sei: der Standard hat einige Erfahrung mit Lexus, Erfahrung mit den Hybridfahrzeugen der Toyota-Premiumtochter, zuletzt, 2008, im Jahrestest geprüft und für gut befunden: GS 450h, eine erstaunlich sportive Limousine mit geradezu überschäumender Leistungsentfaltung, Power-Hybrid nennt Lexus das. Nun also erneut vier Jahreszeiten, zwei Antriebe und ein Auto – allerdings eines, das dem GS in einem Punkt ganz deutlich überlegen ist: beim Alltagsnutzen.

Na ja, nicht sonderlich überraschend, dass ein SUV einer Limo hier voraus ist. Das erklärt auch die relative Beliebtheit des Wagens gegenüber dem GS. SUVs sind nun mal quasi, aller Polemik (speziell gegen die großen ihrer Art) zum Trotz, eierlegende Wollmilchsäue. Was ist das immer wieder fein, die Heckklappe per Knopfdruck aufschwingen zu lassen und alles mögliche Zeugs drinnen zu verstauen, ohne dass man sich die Hände schmutzig macht. Nerven kann gestresste Menschen auf Dauer allenfalls das Gepiepse und der Zeitlupen-Öffnungsprozess.

Anders als zu Beginn des Testzyklus ist der RX 450h nun nicht mehr allein auf weiter Flur. Hinzugesellt haben sich entsprechende Ableger von BMW (Active Hybrid X6), Porsche (Cayenne Hybrid), VW (Touareg Hybrid). Noch spürt der RX die Konkurrenz nicht so sehr, mangels Massenverfügbarkeit der genannten Typen, und der X6 ist sowieso eher ein Näherungswert, der Cayenne spielt in einer anderen Imageliga. Aber der VW, der wird gefährlich werden.

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Kreuz und quer

Dem hält man bei Lexus die erstaunlich ausgereifte Technik entgegen, die jahrelange Expertise auf dem Sektor Hybridantrieb. Exkursionen nach Italien, kreuz und quer durch Österreich und immer wieder Stop-and-go in Wien: Wir haben dem Lexus wahrlich nichts geschenkt, knapp 40.000 km standen letztlich am Tacho. Dazu wurde, im real existierenden Autoleben sozusagen, ein Durchschnittsverbrauch von 10,2 l / 100 km ermittelt. Klingt zunächst nicht gerade nach Sparmeister, kalkuliert man aber Performance, Masse und schiere Größe mit ein, dann schon auch wieder. Ein leistungsmäßig vergleichbarer V8-Benziner würde locker gleich einmal zwei, drei Liter mehr konsumieren.

Komfort ist im RX 450h groß geschrieben. Ein gemütlicher, gutmütiger, extrem familienfreundlicher Charakter, in der Ruhe liegt die Kraft, sportliche Gemüter könnten ihn allerdings eventuell auf Dauer ein klein wenig zu behäbig finden. Stichwort Ruhe? Exzellent ist die Geräuschkultur, das ist Lexus sich schuldig. Und, Allrad: Er hat sich sogar das eine oder andere Mal im "Gelände" bewährt, mehr jedenfalls, als wir ihm jemals zugetraut hätten.

Die Mängelliste blieb erfreulich kurz. Zu erwähnen wäre, dass der Blinker zuletzt mitunter hängen blieb, selten, aber doch. Und dass die Frontscheibe ein Spannungsproblem haben könnte: Entstand doch, ohne jegliche Feindeinwirkung (=Steinschlag), Ehrenwort, nun schon zum zweiten Mal ein Spannungsriss von unten an der A-Säule weg, der Scheibenwechsel erzwingt – hoffentlich nur ein Problem des Testwagens. In Summe ist der RX 450h ein Auto, das man gerne fährt, der Abschied fällt schwer. Ein Lexus, zu dem man emotionale Bindungen entwickelt, zu jeder Jahreszeit: auch dies für uns eine neue Dimension. (Andreas Stockinger/DER STANDARD/Automobil/5.11.2010)