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Foto: Reuters/Sergej Samulenkov

Die Schlacht um den Kurland-Kessel in Lettland war eine der zähesten militärischen Auseinandersetzungen im Zweiten Weltkrieg. Im Kampfeinsatz dabei war der heute 86-jährige Visvaldis Lacis, damals Soldat der Lettischen Legion der Waffen-SS. Am Montag wurde er zum Vorsitzenden jenes Ausschusses von Lettlands Parlament gewählt, der für die Umsetzung der Staatsbürgerschaftsgesetze zuständig ist.

Der greise SS-Veteran ist damit im Umgang mit der russischen Minderheit im baltischen Staat zu einem wichtigen Entscheider geworden. Ethnische Russen machen rund ein Viertel der Bevölkerung aus, viele sind jedoch nicht eingebürgert. Viele Letten machen sie noch immer pauschal für die Gräuel der Stalin-Zeit verantwortlich.

Lacis gehört der Partei "Alles Für Lettland" an, die bei den Wahlen vom 2. Oktober als Teil des Nationalistenbündnisses den Einzug ins Parlament schaffte. Zum Forderungskatalog dieser Partei gehört die gänzliche Abschaffung des russischen Sprachunterrichts an Schulen sowie die "Heimschickung" sämtlicher ethnischer Russen, die sich nicht völlig zu Letten assimilieren lassen wollen.

Der nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion für Verdienste um die Freiheit Lettlands mit Orden dekorierte Lacis hatte zuvor zahlreiche einschlägige Artikel und Bücher publiziert. In diesen legte er seine Erinnerungen als SS-Kämpfer sowie seine nationalistischen Ansichten dar. Dass derartige Meinungen in der lettischen Politik salonfähig sind, zeigte sich zuletzt nicht nur am Wahlerfolg von "Alles für Lettland".

Außenminister Girts Valdis Kristovskis, Vorsitzender des Parteibündnisses von Premier Valdis Dombrovskis, konnte am Dienstag knapp ein Misstrauensvotum überstehen. Zuvor war bekanntgeworden, dass er in einem E-Mail-Wechsel mit einem in den USA lebenden lettischen Arzt just jene russophoben und diskriminierenden Ansichten geteilt hatte, die sich "Alles für Lettland" an die Fahnen geheftet hat. Die Regierung stützt sich im Parlament auf Nationalisten wie Lacis.

In der Debatte vor dem Misstrauensvotum im Parlament von Riga tat sich der SS-Veteran Lacis wenig überraschend als der eifrigste Verteidiger des Ministers hervor. Mehr als 65 Jahre nach dem Ende der Schlacht um Kurland gilt für Lacis und seine Gesinnungsgenossen offenbar immer noch, was das lettische Schlagerduo Walters & Kazha beim Song Contest 2005 in Kiew gesungen hat: The War Is Not Over. (Andreas Stangl/DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2010)